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Geschichte des Hauses

Halberstädter Straße 2 in Magdeburg

Der heutige Dienstsitz des Innenministeriums in der Halberstädter Straße 2 in Magdeburg war von seiner Errichtung 1913 bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 Polizeigebäude, bis in die 1960er Jahre hinein auch Polizeigefängnis.
Dort waren sowohl während der Naziherrschaft als auch in der DDR vorübergehend auch politisch oder rassisch Verfolgte inhaftiert.

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Publikation zur Geschichte des Hauses

Die Publikation "Vom königlichen Polizeipräsidium zur Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei. Die Magdeburger Polizei im Gebäude Halberstädter Straße 2 zwischen 1913 und 1989" ist über den Buchhandel (ISBN 978-3-941057-02-9)  sowie über die Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhalt zu beziehen.

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Eröffnung Gedenktafel

Der damalige Innenminister Holger Hövelmann nahm Mitte 2008 die Anregung von Opferverbänden im heutigen Innenministerium eine Gedenktafel anzubringen, zum Anlass, eine Arbeitsgruppe von Historikern mit der Aufarbeitung dieses Aspekts der Polizeigeschichte zu beauftragen.

Im Foyer des Ministeriums wurde die von Jörg-Tilmann Hinz gestaltete Gedenktafel für die Opfer mit der Inschrift "DEN UNSCHULDIGEN OPFERN, DIE IN DIESEM POLIZEIGEBÄUDE IHRER FREIHEIT BERAUBT UND UNMENSCHLICH BEHANDELT WURDEN  1933-1945  1945-1989" enthüllt und eine Ausstellung zum Thema eingeweiht.

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„Vom Königlichen Polizeipräsidium zur Bezirksdirektion der Deutschen Volkspolizei“

Einleitung

Mehr als zwei Jahre untersuchte eine aus acht Personen bestehende Arbeitsgruppe die Geschichte jenes Gebäudekomplexes, in welchem sich heute das Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt befindet.

Für die Erfüllung unseres Auftrages – Herr Minister hat es bereits angedeutet – war die Ausgangsbasis außerordentlich dürftig, denn bisher hatte sich noch niemand mit der Geschichte der Magdeburger Polizei im Allgemeinen und des Gebäudekomplexes im Besonderen beschäftigt. Zur Untersuchung unserer Fragestellungen hat die Arbeitsgruppe nicht nur etwa zehn Zeitzeugenbefragungen durchgeführt, vor allem die Herren Dr. Sperk und Bohse forschten in den unterschiedlichsten Archiven – genannt seien das Landesarchiv Sachsen-Anhalt, das Stadtarchiv Magdeburg, das Bundesarchiv, die Bundesbehörde für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Ich darf mich an dieser Stelle im Namen der Arbeitsgruppe bei diesen Archiven, aber auch bei der Synagogengemeinde Magdeburg, für ihre kompetente Unterstützung und Zusammenarbeit bedanken. Bedanken möchte ich mich natürlich auch bei den Zeitzeugen, die uns manch wichtige Information geliefert haben.

Geschichtsbetrachtung beruht bekanntlich auf Quellen. Deshalb lassen Sie mich zu Beginn meines Beitrages einige wenige Sätze zur Quellenbasis unserer Untersuchungen sagen:
In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass das überlieferte Quellenmaterial sehr heterogen ist. Insbesondere die Überlieferung aus der NS-Zeit ist für wesentliche Bereiche als sehr schwierig, ja dürftig einzuschätzen, denn es existieren fast keine Sachakten. Uns fehlt deshalb für jene Jahre auch die Möglichkeit, eine Innenansicht des Polizeipräsidiums zu erhalten.

Als wichtigste Quelle zur Ermittlung der Tätigkeit der Magdeburger Polizei nach dem 30. Januar 1933 stehen uns allerdings die Gefangenenbücher des Polizeigefängnisses der Jahre 1932 bis 1945 zur Verfügung. In diesen Büchern wurden die Daten von ca. 41.000 inhaftierten Personen mit der Haftbegründung, der Dauer der Inhaftierung und dem Entlassungsdatum erfasst. Dieser vielleicht etwas technokratische Vergleich sei mir gestattet: Die Gefangenenbücher dokumentieren seismographisch die Veränderungen der Inhaftierungspraxis der Magdeburger Polizei und damit auch der Opfer der Polizeiwillkür.

Für die Jahre der sowjetischen Besatzung und der DDR sind dagegen viele und aussagefähige Quellen überliefert. Diese erlauben eine relativ differenzierte Darstellung der Strukturen, Zielstellungen und Tätigkeitsfelder der Magdeburger Polizei jener Jahre. Jedoch konnten wir aus Gründen des Schutzes personenbezogener Daten manches Ereignis und manches Handeln der Polizei nicht oder nur eingeschränkt darstellen.

Im Ergebnis unserer Bemühungen ist die Broschüre „Vom Königlichen Polizeipräsidium zur Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei“ entstanden, die ab heute sowohl im Handel als auch über die Pressestelle des Innenministeriums für 13,90 Euro erworben werden kann.

Ich möchte Ihnen im Folgenden einige wichtige Ergebnisse der Untersuchungen vorstellen. Die Planungen für den Neubau eines Dienstgebäudes für die Magdeburger Polizei begannen Anfang des 20. Jahrhunderts. Der preußische Fiskus kaufte 1908 die entsprechenden Grundstücke – auf der grünen Wiese zwischen der Altstadt und Sudenburg gelegen – auf. 1910 begannen die Baumaßnahmen für jenen Gebäudekomplex, der am 1. November 1913 mit einem Festakt als „Königliches Polizeipräsidium zu Magdeburg“ der Öffentlichkeit übergeben wurde.

Das Polizeipräsidium wurde während des zweiten Weltkrieges nicht zerstört. Es präsentiert sich deshalb heute noch weitgehend in jenem 1913 errichteten Zustand. Auf der Ostseite des Gebäudekomplexes wurde für den Polizeipräsidenten in der ersten Etage eine Dienstwohnung eingerichtet. Hier befinden sich heute die Diensträume des Ministers, des Staatssekretärs, der Pressestelle, etc. Im westlichen Flügel wurde ein vier Stockwerke umfassendes Gefängnis mit zunächst 49 Zellen für 69 Häftlinge gebaut. Im Erdgeschoss des gesamten Komplexes wurden jene Bereiche platziert, die Publikumsverkehr hatten: das Hauptmeldeamt, das Kommando der Schutzmannschaft, das Einwohnermeldeamt, das Fundbüro, die Polizeikasse und ein Polizeirevier.

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Das Polizeipräsidium in der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945)

Nach der Ernennung Hitlers zum Kanzler des deutschen Reiches änderten sich auch die Schwerpunkte der Arbeit der Polizei. Neben der traditionellen Verbrechensbekämpfung konzentrierte sich nun deren Arbeit auf Maßnahmen gegen jene, denen unterstellt wurde, der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ Schaden zuzufügen oder dazu potentiell in der Lage zu sein. Einerseits sollten Menschen durch Inhaftierung an gegen die Nationalsozialisten gerichtete Handlungen gehindert werden; andererseits war es das Ziel, das deutsche Volk „biologisch zu reinigen“. Deshalb gelangten ab 1933 neben den Kriminellen auch immer mehr Menschen in das Gefängnis, die die Nationalsozialisten aus politischen, religiösen und rassischen Gründen verfolgten: Kommunisten, Sozialdemokraten, Juden, Zeugen Jehovas, Geistliche der evangelischen und der katholischen Kirchen, Sinti und Roma ebenso wie Homosexuelle und Personen, die in irgendeiner Form Kritik am NS-Staat geäußert hatten.

Im öffentlichen Bewusstsein wird regelmäßig die angeblich umfassend informierte und scheinbar übermächtige Gestapo für diese Inhaftierungen verantwortlich gemacht. Und in der Tat existiert ein enger Zusammenhang zwischen der Magdeburger Staatspolizeistelle und dem Gebäudekomplex in der Halberstädter Straße 2. Denn die Stapo – so die Bezeichnung der regionalen Behörde der Gestapo – verfügte bis zum Ende der NS-Herrschaft über kein eigenes Haftgebäude. Sie nutze bis April 1945 den Gefängnistrakt des Polizeipräsidiums für die Unterbringung „ihrer“ Häftlinge. Darüber hinaus nahm die sich im Aufbau befindende Magdeburger Stapo bis zum Ende des Jahres 1933 ihre Diensträume hier. Sie rekrutierte zudem einen Teil ihrer Bediensteten aus dem Personal der Magdeburger Polizei – z.T. nur für begrenzte Zeit auf dem Wege der Abordnung. Doch bis Anfang November 1933 umfasste die Staatspolizeistelle Magdeburg lediglich 6 Mitarbeiter; Anfang Januar 1934 waren es 16.

Allein aus diesen Zahlen wird deutlich, dass die Ausschaltung der politischen Gegner der Nationalsozialisten im Jahre 1933 unter erheblicher Beteiligung der Bediensteten des Magdeburger Polizeipräsidiums erfolgte – ja erfolgen musste.
Meldungen über durchgeführte Razzien in der Magdeburger Volksstimme und im östlich der Elbe gelegenen Ortsteil Puppendorf belegen dies.

Allerdings ist aufgrund der schwierigen Quellenlage der Nachweis der konkreten Tätigkeit einzelner Kriminalpolizisten kaum möglich. Doch das Gefangenenbuch des Polizeigefängnisses spricht eine deutliche Sprache. Anhand dieser Quelle lässt sich nachweisen, wie nach der sogenannten Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 die Zahl der Inhaftierungen schlagartig zunahm.

Insgesamt wurden im März 1933 340 Personen inhaftiert – 229 Menschen mehr als im Monat zuvor. Im Gefangenenbuch wurden u.a. folgende Haftgründe aufgeführt:

  • Verteilen von verbotenen Flugblättern,
  • kommunistische Umtriebe,
  • illegale Zusammenkunft der KPD.

Mitunter wurde einfach notiert: „politisch“.

Das Nachrichtenblatt der Landeskriminalstelle Magdeburg meldete folgerichtig am 4. April 1933, dass das Polizeigefängnis mit politischen Schutzhäftlingen vollständig belegt und nicht mehr in der Lage sei, auswärtige Schutzhäftlinge aufzunehmen.

Die Polizeiverwaltung reagierte auf die Überbelegung des Gefängnisses mit der Errichtung eines provisorischen Schutzhaftlagers im Hof des Polizeipräsidiums. Wie lange dieses existierte, ist unklar. Doch auch dieses Lager reichte bei weitem nicht aus, die vielen Inhaftierten unterzubringen. Etwa ein halbes Dutzend weiterer provisorischer Lager entstand noch im Frühjahr 1933 in Magdeburg, in die nach und nach auch Häftlinge aus dem Polizeigefängnis überführt wurden. Nach der Errichtung des KZ Lichtenburg überstellte die Gefängnisverwaltung Schutzhäftlinge auch dorthin. Eines dieser Opfer war der Magdeburger Oberbürgermeister Ernst Reuter.

Im Frühjahr 1933  aus dem Amt getrieben, hatte ihn die Magdeburger Polizei am 8. Juni 1933 gefangen genommen und im Polizeigefängnis inhaftiert. Hier verblieb er 9 Wochen. Am 12. August 1933 überstellte ihn die Abteilung I des Polizeipräsidiums in das KZ Lichtenburg.

Außer Frage steht auch, dass die Magdeburger Polizei an der Verfolgung und Entrechtung der einheimischen Juden in nicht unerheblichem Maße beteiligt war. Ihr oblag u.a.

  • die Erfassung, Ablieferung und Verwertung jüdischen Vermögens;
  • die Erteilung bzw. Verlängerung von Gewerbegenehmigungen,
  • die Arisierung jüdischer Unternehmen,
  • die Sicherstellung des Ausschlusses der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand an Juden,
  • die Ausstellung von Papieren zur Auswanderung bzw. Emigration.

Juden gerieten – wie auch die Sinti und Roma – u.a. in das Visier der Magdeburger Polizei während der von Himmler befohlenen „Aktion Arbeitsscheu Reich“ vom Frühjahr 1938. Während dieser Aktion sollten 10.000 sogenannte Asoziale zur Zwangsarbeit in Konzentrationslager verschleppt werden. Unter den 118 Personen, die die Magdeburger Polizei während der zweiten Phase dieser Aktion gefangen nahm, befanden sich auch 11 Juden – u.a. der damals 62-jährige Bankier Adolph Rothschild und der 65-jährige Kaufmann Abraham Basek.

Die Auswertung der Gefangenenbücher legt den Schluss nahe, dass das Magdeburger Polizeigefängnis für Polizei und Stapo bei der Durchführung bestimmter Aktionen als Ort der zwischenzeitlichen Inhaftierung bzw. Zusammenführung der Opfer vor ihrer Deportation diente – sozusagen als Sammellager. Dies war bei der bereits erwähnten „Aktion Arbeitsscheu Reich“ so, dies war bei der Abschiebung polnischer Staatsbürger jüdischen Glaubens im Oktober 1938 nicht anders.

Diese relativ unbekannte Aktion koordinierte im Auftrag des Auswärtigen Amtes die Gestapo. Ihre Durchführung im Regierungsbezirk Magdeburg, die hier erstmals nachgewiesen werden kann, lag in den Händen der Magdeburger Polizei. Diese ließ zwischen dem 27. und 29. Oktober 1938 insgesamt 135 Personen in das Polizeigefängnis einliefern. Nach wenigen Tagen Haft wurden die Opfer an die polnische Grenze verbracht und dort ihrem Schicksal überlassen.

Auch die von der Stapo am 10. November 1938 – dem Tag nach der sogenannten Reichskristallnacht – im gesamten Regierungsbezirk Magdeburg festgenommenen etwa 230 Juden wurden zunächst im Polizeigefängnis inhaftiert, ehe sie in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert wurden. Unter den Festgenommenen befand sich auch der Rabbiner der Magdeburger Synagogengemeinde, Dr. Georg Wilde, der seine Erlebnisse im englischen Exil niedergeschrieben hat.

Zu den Opfern jener Jahre gehören auch die Zeugen Jehovas. Die Angehörigen der Glaubensgemeinschaft setzten ihre Tätigkeit nach dem reichsweiten Verbot vom April 1935 und der Auflösung der Magdeburger Zentrale jedoch fort, so dass sie ab 1936 Opfer verstärkter Repressalien wurden, die sich u.a. in Verhaftungen niederschlugen.

Herauszuheben ist an dieser Stelle das Vorgehen der Magdeburger Polizei gegen die Sinti und Roma. Die Verfolgung dieser Menschen gehörte seit Jahrzehnten zum Aufgabenspektrum der Polizei. Dies änderte sich auch nach der Machtergreifung der Nazis nicht. Die Polizei bezog die Stapo nur dann in die von ihr gegen die Sinti und Roma geleiteten Unterdrückungsmaßnahmen ein, wenn es die Dienstvorschriften und Dienstwege ausdrücklich vorsahen. Wenn die Stapo Magdeburg – was in wenigen Fällen geschah – eigene Untersuchungen anstellte, so musste sie bereits nach kurzer Zeit feststellen, dass die Kriminalisten die wesentlich höhere „Sachkompetenz“ besaßen. Die Kriminalpolizei war zum Erfüllungsgehilfen der Gestapo geworden. Die von der Polizei angefertigten Dossiers zu den einzelnen Sinti und Roma belegen, dass die Magdeburger Polizei die rassenpolitischen Vorgaben und unmenschlichen Befehle der Berliner NS-Führung vollständig umsetzten.

An keiner Stelle des umfangreichen Aktenbestandes konnte bisher widerständiges Verhalten entdeckt werden. Die Zeit reicht bei weitem nicht aus, um die einzelnen Maßnahmen der Polizei hier darzustellen. An dieser Stelle seien mir wenige Beispiele gestattet:

Nach 1933 intensivierten die Polizisten ihre seit 1927 nachweisbaren Bemühungen zur Identifizierung der einzelnen Personen. Lebensläufe wurden erstellt, Stammbäume angelegt, Fingerabdrücke genommen etc. Diese Unterlagen bildeten eine entscheidende Grundlage für „rassenhygienische Gutachten“, die die sogenannte „rassenhygienische Forschungsstelle“ in Berlin erstellte. Diese Gutachten unterschieden die Menschen in „stammechte Zigeuner“, Zigeunermischlinge verschiedener Graduierung und Nichtzigeunern. Aufgrund dieser Einstufung erfolgte später die Deportation nach Auschwitz.

Für die Überwachung der in einem weit vor den Toren der Stadt angelegten Lager lebenden Menschen war insbesondere der „Sachbearbeiter für Zigeunerangelegenheiten“, Paul Becherer, zuständig. Er und seine Kollegen bestellten im Oktober 1939 alle erwachsenen Bewohner des Lagers in das Polizeipräsidium und informierten sie von einem Erlass, der den Menschen fortan verbot, die Stadt zu verlassen. Reisen nach Glindenberg, Heyrothsberge oder Biederitz wurden fortan als schwere Verbrechen bewertet, die im Wiederholungsfalle mit KZ bestraft wurden.

Am 1. März 1943 schließlich lösten Stapo und Kripo das Lager am Holzweg auf und deportierten die Menschen nach Auschwitz. Unter den Opfern befanden sich auch Emma Krause und ihre Kinder.

Auch aus den anderen Kommunen des Regierungsbezirkes wurden die Sinti und Roma an diesem Tag nach Magdeburg zur Deportation verbracht.
Bei einer Betroffenen notierte die Magdeburger Polizei: „Eine Rückkehr ist wenig wahrscheinlich“. Dies war wahrlich nicht untertrieben, zeigt aber auch, dass die Behördenmitarbeiter genau wussten, was der Transport nach Auschwitz für die Menschen für Konsequenzen zur Folge haben würde.

Lassen sie mich für die Zeit des Nationalsozialismus abschließend hervorheben, dass mit Beginn des Krieges ein starker Anstieg der Inhaftierungen einsetzte.

Doch auch die Zusammensetzung der Häftlinge änderte sich gravierend: Mit zunehmender Dauer des Krieges gerieten immer mehr Zwangsarbeiter und Fremdarbeiter in die Fänge der Sicherheitskräfte – insbesondere der Stapo Magdeburg. Den meisten von ihnen wurde Arbeitsflucht, Arbeitsbummelei oder Sabotage vorgeworfen. So wurde das Gefängnis des Polizeipräsidiums ein Spiegelbild der deutschen Kriegsgesellschaft.

Insgesamt konnten die Forschungen trotz der schwierigen Quellenlage den Nachweis erbringen, dass die Bediensteten des Magdeburger Polizeipräsidiums sowohl ihren eigenständigen Beitrag zur Ausschaltung der politischen Gegner der Nationalsozialisten leisteten als auch deren rassenpolitische Vorgaben konsequent umsetzten.

Diese Gefolgschaft dauerte bis zum bitteren Ende des Krieges. Als am 12. April 1945 amerikanische Truppen unmittelbar vor der schwer zerstörten Stadt standen und Unterhändler deren bedingungslose Übergabe forderten, lehnte dies der damalige Polizeipräsident Bolek kategorisch ab. Der SS-Brigadeführer soll geantwortet haben: „Ich werde Magdeburg bis zum letzten verteidigen.“ Die Polizeiverbände erhielten den Befehl, sich auf das östliche Elbufer zu begeben. Hier beging Bolek Anfang Mai 1945 Selbstmord.

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Volkspolizeipräsidium Magdeburg (1945 bis 1990)

Am 18. April 1945 besetzten US-Truppen die westlich der Elbe gelegenen Teile der Stadt, während Anfang Mai 1945 die Rote Armee die östlichen Stadtteile einnahm. Bis zum Juli 1945 war Magdeburg eine geteilte Stadt.
Die amerikanischen Besatzer nahmen das in ihre Hände gefallene Führungspersonal der Polizei gefangen und begannen sofort mit dem Neuaufbau einer Polizei mit unbelasteten Personen. Insgesamt war diese Phase jedoch von einer hohen Diskontinuität geprägt, denn im Juni 1945 lösten die Briten die Amerikaner ab, ehe Anfang Juli 1945 die sowjetischen Besatzer einrückten. Magdeburg wurde nun Teil der sowjetisch besetzten Zone. Die sowjetische Besatzungsmacht betrieb noch im Sommer 1945 einen vollständigen Personalaustausch der Polizei.
Von den neu eingestellten Polizisten hatte ein erheblicher Teil vor 1933 der SPD angehört. Dies war auf Dauer weder für die KPD noch für die SMAD in einem derartigen Kernbereich der Macht, wie ihn die Polizei darstellt, tragbar. Den Auftakt für die Entfernung von SPD-Mitgliedern aus der Polizei bildete die Ernennung Willi Wallstabs zum Polizeipräsidenten im September 1945.
Wallstab – selbst KPD-Mitglied – betrieb im Auftrag der SMAD und der KPD eine Politik der Verdrängung der Sozialdemokraten zugunsten der Kommunisten aus dem Polizeidienst. Auch eine zweite, 1947 einsetzende Entnazifizierungswelle wurde dazu genutzt, frühere KPD-Mitglieder in die Reihen der Polizei aufzunehmen.

1950 erfolgte schließlich der Umbau der Polizei, wie er bis 1989 Bestand hatte:
Aus der Schutzpolizei wurde die Verkehrspolizei herausgelöst, an die Stelle der Verwaltungspolizei traten die Abteilungen Pass- und Meldewesen sowie Erlaubniswesen. Zu den Hauptaufgaben der neu aufgebauten Polizei gehörte es, gegen das allgemeine Chaos in der weitgehend zerstörten Stadt anzukämpfen. Dies bedingte eine Ausweitung der polizeilichen Kontrollen und die Zunahme der Zahl der Polizeibediensteten.

Doch der Polizei haftete von Anfang an der erhebliche Makel an, verlängerter Arm der russischen Besatzer zu sein. Dieser Eindruck war durchaus berechtigt, denn u.a. verhaftete sie deutsche Staatsbürger im Auftrag der Besatzungsmacht. So wurde die Polizei nicht nur Objekt der Entnazifizierung, sie wurde – wie Herr Bohse es in der Publikation formuliert hat – auch zu ihrem Werkzeug. Im Auftrag des sowjetischen Geheimdienstes NKWD registrierte die Abteilung P 1 ehemalige Mitglieder von NSDAP, SS und SA sowie „aktivistische Nazis“. Bis Mitte 1946 betraf dies 18.910 Personen, 2.214 wurden von der Polizei verhaftet und anschließend der Sowjetischen Militäradministration übergeben. Mitunter wurden die Menschen in das Polizeipräsidium einbestellt, hier verhaftet, sofort im Polizeigefängnis inhaftiert und von dort an die sowjetischen Besatzer übergeben, die das nebenan gelegene Gefängnis Sudenburg betrieben. Nicht selten verurteilte das dort tagende sowjetische Militärtribunal die Menschen zu langjährigen Haftstrafen, denen die Deportation in eines der sowjetischen Lager folgte. Für viele Betroffene kam dies einem Todesurteil gleich.

Die Durchführung der Entnazifizierung erfolgte ab 1947 nach Maßgabe des Befehls 201 der SMAD. Von nun an waren insbesondere die deutschen Behörden für die Aburteilung der NS-Täter zuständig. Bei der Magdeburger Kripo wurde nun das Kommissariat 5 (kurz: K 5) – der Vorgänger des Ministeriums für Staatssicherheit – mit dieser Aufgabe betraut. Die Mitarbeiter des K 5 untersuchten sowohl für deutsche Behörden als auch für russischen Besatzer. Es inhaftierte Personen, bei denen selbst die deutsche Justiz resignierend feststellte, dass ein hinreichender Grund für die Inhaftierung nicht zu erkennen sei.

Inhaftierungen wurden in den 1940er Jahren auch mit der Kontrollratsdirektive 38 begründet. Dort hieß es, dass auch derjenige ein „Aktivist“ des Nationalsozialismus sei, der „nach dem 8. Mai 1945 durch Propaganda für den Nationalsozialismus oder Militarismus oder durch Erfindung und Verbreitung tendenziöser Gerüchte den Frieden des deutschen Volkes oder den Frieden der Welt gefährdet.“ Bereits unbedachte Äußerungen konnten hiernach zu Verhaftungen führen. Manchen privaten Unternehmer inhaftierten die Polizisten wegen „Wirtschaftsvergehen“ – ein Begriff, der je nach Bedarf interpretiert werden konnte. Insbesondere in dem Bemühen, die Industrie zu verstaatlichen, wurden derartige Delikte konstruiert.

Doch nach der Währungsreform von 1948 zeigte sich, dass die Wirtschaft der SBZ immer mehr ins Hintertreffen geriet. Die Defizite schlugen sich in Versorgungsengpässen nieder, für die die SED-Führung einzelne „Saboteure“ verantwortlich machte. Diesen insbesondere aus dem bürgerlichen Lager stammenden Personen unterstellte sie Verbindungen zu Gutsbesitzern, Profiteuren und Kriminellen. Die Verhaftung „dieser Schädlinge“ hatte die Polizei durchzuführen. Auf diese Weise unterstützte die Polizei somit die gesellschaftlichen Umgestaltungsprozesse, die sich in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre in der SBZ vollzogen.
Gefangen genommen wurden auch Personen, die der Entwicklung des Landes in Richtung Diktatur der SED im Wege waren. Hierzu zählten u.a. der Magdeburger Oberbürgermeister Rudolf Eberhard und der Leiter des Stadtbauamtes, Eberhard Koß. 

Am Rande sei bemerkt: Zu dieser Veranstaltung hatten wir auch die Tochter Rudolf Eberhards eingeladen, die heute leider nicht anwesend sein kann. Frau Meyer-Eberhard schrieb Herrn Minister Hövelmann dazu folgendes: „Nachdem mein Vater unter vorgeschobenen Gründen am Sonntag, dem 2. Juli 1950, von zu Hause abgeholt worden war, erhielten meine Mutter und ich trotz intensiven Nachforschens zunächst keinerlei Auskunft, wo mein Vater sich befand. Unter großen Schwierigkeiten konnten wir nach einigen Tagen erfahren, mein Vater sei im Polizeigefängnis in der Halberstädter Straße. Ein Haftbefehl sei nicht erlassen worden. Wir machten den Polizeipräsidenten darauf aufmerksam, dass ohne Haftbefehl mein Vater nicht weiter inhaftiert bleiben dürfe, er und sein ehemaliger Stadtbaurat blieben aber weiter in Haft. Nach einigen Tagen wurde mein Vater in das Gerichtsgefängnis verlegt. Ein Haftbefehl wurde dann erlassen, von den Gründen dafür wurde uns nichts bekannt.“ Angemerkt sei, dass Eberhard nach seiner Entlassung in die Bundesrepublik floh.

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Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei (BDVP) und Volkspolizeikreisamt Magdeburg (VPKA) (1952-1990)

Das Jahr 1952 stellt für die Geschichte der Magdeburger Polizei einen tiefen Einschnitt dar. Zum 1. Juli 1952 wurden in der DDR die Länder faktisch aufgelöst und 15 Bezirke errichtet. Im Gebäudekomplex Halberstädter Straße 2 handelten fortan zwei Behörden: die Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei (BDVP) sowie das ihr nachgeordnete Volkspolizeikreisamt der Stadt Magdeburg (VPKA). Gleichzeitig setzte ein gezielter Ausbau der polizeilichen Kontrolle mit dem Ziel der Disziplinierung der Bevölkerung ein. Fortan war für jedes Dorf bzw. jedes Wohngebiet ein Abschnittsbevollmächtigter (ABV) für sämtliche polizeilichen Belange zuständig.

Die BDVP war eine unmittelbar dem Ministerium des Innern nachgeordnete Behörde. Sie hatte zudem die Beschlüsse der SED-Bezirksleitung und des Bezirkstages umzusetzen. Grundlage des Handelns der BDVP waren jedoch die Beschlüsse der SED-Führung und das Programm der SED.

Die Bediensteten der BDVP führten nur begrenzt konkrete polizeiliche Tätigkeit aus. Ihre Hauptaufgabe bestand insbesondere darin, die nachgeordneten Volkspolizeikreisämter anzuleiten und zu beaufsichtigen. Letztlich hatten sie dafür zu sorgen, dass die Beschlüsse der SED-Führung im Bezirk Magdeburg umgesetzt wurden. Nicht ohne Grund gehörten die Chefs der BDVP in der Regel der SED-Bezirksleitung an. Auch die Angehörigen der BDVP als auch des VPKA sollten sich in erster Linie als politische Funktionäre betrachten. Folglich war es das Bestreben, möglichst viele Bedienstete zum Eintritt in die SED zu bewegen und zu erreichen, dass diese ihre Kontakte in die Bundesrepublik abbrachen.

Zu den dramatischsten Tagen, die dieser Gebäudekomplex erlebt hat, zählte der 17. Juni 1953:
An diesem Tag wurde der Gebäudekomplex Halberstädter Straße 2 zum Ziel mehrerer Demonstrationszüge. Vor dem Gebäude der BDVP forderten die Demonstranten die Freilassung der politischen Gefangenen. Es gelang ihnen zwar, in das Gebäude einzudringen und Teile des Komplexes über mehrere Stunden zu kontrollieren. Jedoch scheiterten ihre Versuche, die UHA im Gebäude der BDVP sowie die benachbarte MfS-UHA und die Strafvollzugsanstalt zu stürmen.
Auch in Magdeburg schlugen sowjetische Truppen den Aufstand nieder. Im Umfeld der BDVP starben an jenem Tag drei Zivilisten, zwei Polizeiangehörige und ein MfS-Mitarbeiter. Ein sowjetisches Militärtribunal verurteilte zwei weitere Zivilisten im Gebäudekomplex am 18. Juni zum Tode. Die Urteile wurden am selben Tag vollstreckt.
Nach der Niederschlagung des Aufstandes rechnete die SED mit aufständischen ab. Ihr Werkzeug war die BDVP, die allein in den folgenden acht Tagen nicht weniger als 650 Personen festnahm, von denen sie 114 der Staatssicherheit und 51 der sowjetischen Besatzungsmacht übergab.

Es würde den Rahmen dieses Vortrages völlig sprengen, wenn ich Ihnen hier die Geschichte der Magdeburger Polizei bis 1989 im Detail schildern wollte. Ich will lediglich einzelne Aspekte herausgreifen, die belegen, dass die in diesem Hause ihren Dienstsitz habenden BDVP und VPKA wichtige Teile des Systems der Überwachung und Repression im Sinne der SED-Führung waren.

Zunächst sei die Zusammenarbeit der BDVP mit dem MfS skizziert:
Bereits seit 1953 hatte die Polizei dem MfS alle notwendigen Informationen für die Bearbeitung politisch bedeutsamer Fälle zu übermitteln. Hierzu zählten solche „Delikte“ wie „Agitation, Agententätigkeit“, „Gegnerische Tätigkeit“ und Vorkommnisse an der Grenze, aber auch Brände und Explosionen. Da sich das MfS bis zum Ende der 1950er Jahre noch im Aufbau befand, wurde die Polizei in seinem Auftrag tätig: Z.B. war jede sechste vom MfS inhaftierte Person in den 1950er Jahren von der Polizei gefangen genommen worden. Im September 1960 sprach die Abteilung Strafvollzug der BDVP von einer „guten Zusammenarbeit mit den Genossen vom MfS“. 

Offensichtlich war den Polizisten damals bereits entgangen, was ihnen wohl auch später verborgen blieb: Sie wurden nämlich vom MfS im großen Stile überwacht. Was in den 1950er Jahren seinen Anfang nahm, endete in den 1980er Jahren darin, dass die Abteilung VII des MfS  66 BDVP-Mitarbeiter als inoffizielle Mitarbeiter und weitere 51 Bedienstete als „gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit“ führte.

Weniger bekannt ist, dass die Polizei mit Erlaubnis des MfS ein eigenes Spitzelsystem aufbaute und unterhielt. Ausgangspunkt dieser Erlaubnis war das Bestreben, in den 1950er Jahren die Kollektivierung der Landwirtschaft zu forcieren. Der Auftrag der Partei lautete, derartige „Klassenfeinde“ zu kriminalisieren, um sie letztlich enteignen zu können. Bauern, die sich weigerten, in die LPG einzutreten, wurden sowohl vom MfS als auch von der Polizei verhaftet. Nach dem Abschluss der Kollektivierung wies die BDVP sowohl die Kriminalpolizei, als auch die ABV an, sich vorwiegend auf die „verstärkte Erforschung von Verbrechen, die sich gegen die Festigung der sozialistischen Landwirtschaft richten“, zu konzentrieren.

Auch an den verzweifelten Bemühungen der SED-Führung, die Fluchtbewegung in den Westen zu stoppen, wurde die BDVP beteiligt. Sie hatte nicht nur am 13. August 1961 die Grenze zur Bundesrepublik abzusichern. Ihre Aufgabe bestand im Herbst 1961 auch darin, als politisch unzuverlässig geltende Familien zu ermitteln und aus dem Grenzgebiet auszusiedeln. Während der „Aktion Festigung“, die eine ausschließliche Polizeimaßnahme war, wurden am 3. Oktober 1961 die Betroffenen gezwungen, in nur wenigen Stunden einige Habseligkeiten zu packen.
Die Menschen wurden anschließend in bereits feststehende Wohnungen im Hinterland verbracht. Widerstand leistende Personen hatten die Polizisten zu verhaften.

Der Auftrag, Fluchtversuche über die Grenze zu verhindern, entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einer der Kernaufgaben der BDVP im Grenzbezirk Magdeburg. Die Polizei schuf ein weit in das Hinterland reichendes System der Aufdeckung von Fluchtversuchen. Dies führte u. a. dazu, dass es im Jahre 1971 nur jeder 6. Fluchtwillige bis zur Grenze schaffte. Die BDVP und die ihr unterstellte Transportpolizei konnten für sich in Anspruch nehmen, fast 80 Prozent der Fluchtwilligen bereits weit vor der Grenze abgefangen zu haben. Die von ihnen festgenommenen Menschen lieferte die Polizei nun an das MfS aus, das seit dem Ende der 1950er Jahre am Moritzplatz eine eigene Untersuchungshaftanstalt betrieb. Die Polizei benötigte evtl. deshalb das 1913 errichtete Polizeigefängnis auf ihrem eigenen Territorium immer weniger, so dass dieses in den 1960er Jahren geschlossen wurde.
Trotz der straffen militärischen Organisation und Hunderten von Mitarbeitern waren auch die BDVP und das VPKA Magdeburg nicht in der Lage, das Aufbegehren des Volkes im Jahre 1989 aufzuhalten. Ohnmächtig mussten BDVP-Chef Schneider und seine Kollegen hinnehmen, dass mit jedem Tag ihre Macht schwand.

Schließlich wurde Schneider zum 31. Dezember 1989 entlassen. Mit dem 3. Oktober 1990 endete auch die Geschichte der BDVP und des VPKA. Nach und nach zog das Ministerium des Innern hier ein. Damit endeten mehr als 75 Jahre unmittelbarerer Polizeiarbeit in diesem Gebäudekomplex. Abschließend bleibt mir nur noch, mich bei den Kollegen der Arbeitsgruppe sowohl für die unermüdliche Arbeit als auch die schöpferische Atmosphäre während der Zusammenkünfte und Sitzungen der letzten 2 ½ Jahre ganz herzlich zu bedanken. Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Bemühungen nicht umsonst waren.

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