Muslimbruderschaft (MB) / „Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V.“ (DMG)
Die Muslimbruderschaft
Die Muslimbruderschaft ist bis heute eine der einflussreichsten Kräfte im Spektrum des legalistischen Islamismus. Sie wurde bereits 1928 in Ägypten gegründet. Sie hat im Laufe ihrer über 90jährigen Geschichte zahlreiche Strategien erprobt: von massiver Propaganda und Mission über Illegalität und bewaffnete Konfrontation bis zum Versuch der Integration in und Kooperation mit staatlich-parlamentarischen Strukturen. Die Muslimbruderschaft hat aufgrund dieser Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit Staats- und Regierungsapparaten sowie zivilgesellschaftlichen Institutionen ein unverändert hohes Gewicht innerhalb der islamistischen Bewegung.
Die Quintessenz ihrer Ideologie ist in der „Allgemeinen Ordnung der Muslimbruderschaft“ erkennbar, die auf den Gründer der Muslimbruederschaft, Hasan al-Banna (1906-1949), zurückgeht. Wesentlich sind die folgenden fünf Punkte:
- Islamisierung der Gesellschaft durch religiöse Agitation (arab.: al-da‘wa) und soziale Maßnahmen;
- Beendigung der „kulturellen Verwestlichung“ (al-taghrib);
- Umwandlung des Bildungswesens und der Institutionen nach islamischen Kriterien;
- Errichtung eines islamischen Staates auf der Grundlage islamischer Prinzipien und Werte;
- Anwendung des islamischen Rechts (Scharia).
Die Ideologie der Muslimbruderschaft basiert auf einem Welt- und Menschenbild, das als Kontrastfolie zu einer zum Teil stark verzerrten Vorstellung von einem „säkularen Westen“ entworfen wird. Dabei wird „säkular“ gemeinhin als antireligiös und daher als moralisch dekadent und spirituell entleert verstanden. Indem die „westliche Gesellschaft“ fälschlicherweise als religionslos oder gar religionsfeindlich dargestellt wird, fungiert das Modell einer „islamischen“ Gesellschaft, das die Religion wieder als Anker und Orientierungspunkt aller menschlichen Aktivitäten begreift, als fundamentaler Gegenentwurf zum „Westen“.
Erst durch die Existenz eines „wahren Islam“, für den sich die Muslimbruderschaft als Kaderschmiede und Avantgarde versteht, könne man überhaupt von einer islamischen Gesellschaft oder von einem islamischen Staat sprechen. Bis dahin lebe man (so auch die meisten Muslime weltweit) in einer sogenannten Jahiliyya-Gesellschaft, das heißt in einer Gesellschaft ohne Religion und Glauben, in die man erst – und hier überschneiden sich eindeutig alle islamistischen Strömungen – den Samen einer neuen Moral und der heiligen Werte des Islam legen muss.
Der Antisemitismus war und ist ein zentraler Bestandteil der politischen Ideologie der Muslimbruderschaft. Die Tendenz, den israelischen Staat und „die Juden“ für alle möglichen Konflikte und Notstände insbesondere in der arabischen Welt verantwortlich zu machen, ist zwar keine Besonderheit der Muslimbruderschaft und wird auch von arabischen Staatsmedien verfolgt. Dennoch ist augenscheinlich, dass sie von der Muslimbruderschaft besonders extrem und militant verfolgt wird. So befürwortet einer der wichtigsten Rat- und Ideengeber der Muslimbruderschaft, der Rechtsgelehrte Yusuf al-Qaradawi (1926-2022), Selbstmordattentate und andere Gewalttaten auch gegen die israelische Zivilbevölkerung, weil er bereits die Existenz des Staates Israel als Invasion islamischen Territoriums auffasst, die es zu beenden gelte.
An dem Gewaltaufruf al-Qaradawis gegen die israelische Zivilbevölkerung wird einmal mehr deutlich, dass die legalistische Strategie der Muslimbruderschaft nicht prinzipiell-geistiger Natur ist, sondern je nach politischem Erfordernis auch in vermeintlich rechtskonforme Gewaltbefürwortung umschlagen kann.
Da der Staat Israel im Nahen Osten von der Muslimbruderschaft als Abbild und Symbol des Eindringens des „Westens“ in „den“ Islam verstanden wird, sind antijüdische und antisemitische Äußerungen geradezu zum unverwechselbaren Profil der Muslimbruderschaft geworden. Geschickt werden dabei Schnittmengen mit der Israelkritik im Mainstream-Islam für die eigene Mobilisierung ausgenutzt.
„Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V.“
Die Deutsche Muslimische Gemeinschaft ist die wichtigste und zentrale Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft in Deutschland. Ihr Ziel ist es, sich als anerkannter Ansprechpartner zum Thema Islam zu etablieren. Zu diesem Zweck werden offene Bekenntnisse zur Muslimbruderschaft möglichst vermieden.
Vereinzelt traten in Moscheen Prediger auf, die ideologische Standpunkte der Muslimbruderschaft propagierten. Die Erwähnung einschlägiger Aktivitäten in den Verfassungsschutzberichten des Landes Sachsen-Anhalt seit 2017 führte zur Zurückhaltung bei den öffentlichen Äußerungen.
Darüber hinaus betreibt die Muslimbruderschaft verschiedene Unterorganisationen mit vermeintlich karitativem Anstrich, die auch islamischen Gemeinden oder Vereinen in Sachsen-Anhalt als Kooperationspartner zur Verfügung stehen. Kooperationen oder sonstige Verbindungen zu diesen der Muslimbruderschaft nahen Organisationen müssen nicht zwangsläufig aus islamistischen Motiven heraus bestehen oder eingegangen worden sein. Vielmehr wird das hinter der Fassade der Wohltätigkeit tatsächlich verfolgte Ziel nicht erkannt und eine zu wünschende Distanzierung nicht vorgenommen.
In Sachsen-Anhalt gibt es nach wie vor Personen, die der Ideologie der Muslimbruderschaft folgen. Diese Personen nehmen zum Teil eine führende Stellung in ihrer jeweiligen Glaubensgemeinde ein. Dort versuchen sie, die Gemeindearbeit (Koranunterricht, Predigten, Feste und Rituale) dahingehend zu beeinflussen, dass diese den Vorgaben der internationalen bzw. in Europa agierenden Muslimbruderschaft entsprechen. Ziel ist das Schaffen einer sogenannten „wertebasierten“ islamischen Identität, die sich scharf abgrenzt von einer Identität als Muslim, in der Vorstellungen von liberaler Demokratie, Menschenrechten, Geschlechtergleichstellung, Religions- und Meinungsfreiheit als vollkommen vereinbar mit den Normen und Werten der islamischen Religion betrachtet werden. Letztendlich ist Ziel der Muslimbruderschaft die Abschaffung der Demokratie und die Gründung eines Gottesstaates, der auf islamistisch interpretierten religiösen Regeln basiert.
Die Anhänger der Muslimbruderschaft bemühen sich darum, sich im Verhältnis zu militanten Jihadisten als gemäßigte Muslime darzustellen. Es besteht daher die Gefahr, dass die Selbstinszenierung als vertrauenswürdige zivilgesellschaftliche Akteure bei Verantwortungsträgern in Kommunen, im Land, in den Kirchen und der Zivilgesellschaft verfängt und zu Fehleinschätzungen führt. Mitarbeiter von Behörden, Kirchen und zivilgesellschaftlichen Organisationen sind daher gehalten, kritisch darauf zu achten, wem sie eine Plattform als Gesprächspartner bieten.