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Teil 2: Desinformation und hybride Bedrohungen: Eine Gefahr für die demokratische Willensbildung

Die Aufklärung von illegitimen Einflussnahmeaktivitäten fremder Mächte, mit denen diese die politische Stabilität der Bundesrepublik Deutschland zu schwächen versuchen, ist eine
zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes. Immer relevanter werden in diesem Zusammenhang die sogenannten hybriden Bedrohungen. Ihr Kennzeichen ist das kombinierte Anwenden konventioneller und nicht-konventioneller Mittel im gesamten Spektrum ziviler bis hin zu (para-)militärischen Maßnahmen gegen andere Staaten, wobei die Urheberschaft typischerweise gezielt verschleiert wird. Hybride Aktivitäten zielen darauf ab, das gesellschaftliche und politische Gefüge eines anderen Landes nachhaltig zu schwächen. In den letzten Jahren sind hybride Aktivitäten zu einem bedeutenden Mittel im Kampf um Einfluss und Vorherrschaft im globalen Gefüge geworden.

Hybride Bedrohungen: Das Beispiel Desinformationskampagnen

Ein Beispiel für hybride Bedrohungen ist das gezielte Verbreiten von Desinformationen durch ausländische staatliche und staatlich gesteuerte Akteure. Bei Desinformation handelt es sich um das bewusste und zielgerichtete Verbreiten falscher oder irreführender Informationen bzw. um das bewusste Verschweigen von wesentlichen Teilen einer Information. Das Ziel von Akteuren, die Desinformationen verbreiten, ist es, die öffentliche Meinungsbildung in ihrem Sinne zu manipulieren, gesellschaftliche Spannungen zu verstärken und das Misstrauen in staatliche Institutionen zu schüren, um auf diese Weise die politische Stabilität des betroffenen Staates zu unterminieren.

Urheber von Desinformationskampagnen sind in der Regel staatliche Akteure, staatlich
gesteuerte Akteure oder ideologisch motivierte Akteure. Während staatliche Akteure (z. B. Nachrichtendienste oder Staatsmedien) eine offensichtliche, unmittelbare Anbindung an einen Staat und seine Regierung haben, deklarieren staatlich gesteuerte Akteure ihren staatlichen Hintergrund meist nicht direkt. Ideologisch motivierte Akteure wiederum unterstehen weder einer unmittelbaren noch einer verdeckten staatlichen Steuerung, sondern handeln aus ideologischer Überzeugung. Solche Akteure finden sich in den verschiedenen Bereichen des Extremismus, etwa im Rechtsextremismus.

Wie werden Desinformationen verbreitet?

Als Kanäle und Multiplikatoren von Desinformation dienen neben sozialen Medien wie X,
Telegram oder TikTok bevorzugt Internetplattformen, die sich als seriöse Nachrichtenportale präsentieren, tatsächlich aber aktiv in die Verbreitung z. B. (pro-)russischer Propaganda involviert sind. Ein Beispiel hierfür ist das Portal „Voice of Europe“, das im Vorfeld der Wahl zum Europäischen Parlament am 9. Juni 2024 aktiv in die Verbreitung (pro-)russischer Propaganda und Desinformation involviert war und daher im März 2024 von der tschechischen Regierung mit Sanktionen belegt wurde.

Um Desinformationen zu verbreiten, setzen insbesondere von Russland aus operierende Akteure zunehmend auf gefälschte bzw. technisch manipulierte Inhalte. Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte „Doppelgänger“-Kampagne: Deren Verantwortliche verteilten über X und
Facebook Links zu täuschend echt wirkenden Nachbauten von bekannten Nachrichtenportalen wie „Spiegel online“ sowie zu eigens angelegten Fake-Nachrichtenportalen, in denen (pro-)russische Desinformationen präsentiert wurden.

Ein weiteres Beispiel für die Verbreitung von Desinformation mittels technisch manipulierter Inhalte sind Bilder, Tonaufzeichnungen oder Videos, die durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) verfälscht wurden (sogenannte „Deep-Fakes“). Häufig werden Deepfakes eingesetzt, um politische Entscheidungsträger oder andere Personen des öffentlichen Lebens täuschend echt zu imitieren und ihnen Äußerungen oder Handlungen zuzuschreiben, die sie in den Augen der Wählerinnen und Wähler bloßstellen sollen.

Die Gefahr der Beeinflussung demokratischer Wahlen durch Desinformationskampagnen und andere Einflussnahmeaktivitäten fremder Mächte

Seit dem Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs auf den souveränen Staat Ukraine am 24. Februar 2022 ist die russische Regierung verstärkt darum bemüht, die öffentliche Meinung in den Staaten der Europäischen Union im Sinne der von ihr konstruierten Narrative zu beeinflussen. Mit gezielten Desinformationskampagnen versuchen staatliche und staatlich gesteuerte russische Akteure zum Beispiel, den Angriff auf die Ukraine als Reaktion auf angebliche Bedrohungen der Russischen Föderation durch die NATO zu rechtfertigen.

Zudem wird insbesondere in der deutschen Bevölkerung die Angst vor einer Eskalation des Krieges sowie vor einer existenzbedrohenden Energie- und Lebensmittelknappheit geschürt, um das Narrativ zu bestärken, die westlichen Regierungen handelten irrational und gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung. Das Ziel solcher Desinformationskampagnen ist es, einen öffentlichen Meinungswandel herbeizuführen, um die Regierungen westlicher Staaten zu einer Reduzierung ihrer Hilfsleistungen für die Ukraine und einer schrittweisen Akzeptanz der russischen Kriegsziele zu bewegen.

Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Vorfeld von Wahlen ist ein zentraler Baustein dieser Strategie. Für die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 gilt dies in besonderem Maße, da die Bundesrepublik Deutschland einer der politisch einflussreichsten Mitgliedstaaten der EU und der NATO sowie einer der wichtigsten Unterstützer der Ukraine im Verteidigungskampf gegen den russischen Aggressor ist. Darüber hinaus findet die Bundestagswahl in einer Phase des Krieges statt, in der die russische Regierung aufgrund des zu erwartenden außenpolitischen Kurswechsels des neuen US-amerikanischen Präsidenten auf einen für sie günstigen Verhandlungsfrieden hoffen kann. Auch vor diesem Hintergrund geht der Verfassungsschutz davon aus, dass die von russischen Stellen gesteuerten Desinformationskampagnen im Internet und in den sozialen Medien in den Wochen vor der Bundestagswahl weiter intensiviert werden.

Neben Desinformationskampagnen stellen Cyberangriffe eine Form der hybriden
Einflussnahme dar, für deren Auftreten im Umfeld von Wahlen ein erhöhtes Risiko besteht. Im Umfeld von Wahlen waren in der jüngeren Vergangenheit vor allem die russischen
Angreifergruppierungen APT 28 und Ghostwriter besonders aktiv. Der Cyberakteur
Ghostwriter, der dem russischen militärischen Nachrichtendienst GRU zuzurechnen ist, hat seit 2021 auch in Sachsen-Anhalt mehrfach Personen des öffentlichen Lebens auf kommunaler Ebene mittels sogenannter „Hack-and-Leak“-Operationen angegriffen. Bei „Hack-and-Leak“-Operationen versuchen Cyberakteure durch Cyberangriffe in Computersysteme vorzudringen („Hack“), um zum Beispiel diskreditierendes oder belastendes Material über das Opfer zu erlangen. Dieses wird anschließend im Original oder in verfälschter Form veröffentlicht, beispielsweise über Social-Media-Kanäle („Leak“).

Zwar hat die Russische Föderation vor dem Hintergrund ihres Angriffskrieges gegen die
Ukraine das wohl größte und naheliegendste Interesse, die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 im eigenen Sinne zu beeinflussen. Der Verfassungsschutz behält aber auch die hybriden Einflussnahmeaktivitäten weiterer (insbesondere chinesischer, iranischer und nordkoreanischer) Akteure im Blick, um diese frühestmöglich zu erkennen und entsprechenden Aktivitäten in Kooperation mit anderen Behörden vorzubeugen.

Was tut der Verfassungsschutz im Kampf gegen hybride Bedrohungen?

Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, unzulässige Einflussnahmeaktivitäten fremder Staaten im Land Sachsen-Anhalt aufzuklären und staatliche Stellen sowie die Öffentlichkeit vor diesen Aktivitäten zu warnen. Zu diesem Zweck informiert der Verfassungsschutz mit Informationsblättern (z. B. „Schutz vor Desinformation“) und auf seiner Internetpräsenz über hybride Bedrohungen und Möglichkeiten, sich gegen diese zu schützen. Darüber hinaus bietet der Verfassungsschutz Behörden, Unternehmen und Wirtschaftsverbänden, Forschungseinrichtungen, Hochschulen und anderen Institutionen Beratungen und Mitarbeitersensibilisierungen zum Schutz vor nachrichtendienstlich gesteuerten Cyberangriffen und anderen unzulässigen Einflussnahmeversuchen fremder Staaten an.

Der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt teilt seine Erkenntnisse regelmäßig mit anderen Sicherheitsbehörden. Aktuell steht der Verfassungsschutz in engem Austausch mit einer vom Bundesamt für Verfassungsschutz  eingerichteten Task Force, die Erkenntnisse über unzulässige ausländische Einflussnahmeaktivitäten im Zusammenhang mit der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 zusammenträgt und bewertet, um auf dieser Grundlage betroffene Stellen und politische Entscheidungsträger zu informieren und zu beraten.

Was können Bürgerinnen und Bürger tun?

Desinformationen entfalten vor allem dadurch ihre Wirkung, dass ihre wahrheitswidrigen Inhalte bewusst emotionalisieren und dann von vielen Menschen ungeprüft und unkritisch weiterverbreitet werden. Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Widerstandskraft im Informationsraum sind Kernelemente eines wirksamen Schutzes.

Der Verfassungsschutz gibt folgende Handlungsempfehlungen, um nicht Opfer von Desinformation zu werden:

  • In den sozialen Medien verbreitete Informationen sollten nicht ungeprüft weitergeleitet, sondern zunächst kritisch hinterfragt werden.
  • Erfahrungsgemäß werden Meldungen umso häufiger verbreitet, je emotionaler oder dramatischer sie formuliert sind. Desinformationskampagnen zielen genau darauf ab, dass sich falsche Meldungen und Nachrichten viral verbreiten und so Verunsicherung schüren und Ängste auslösen – ohne dass deren Wahrheitsgehalt hinterfragt wird.Deshalb ist es wichtig, sich nicht daran zu beteiligen. Fragliche oder zweifelhafte Inhalte sollten nicht ungeprüft weitergeleitet oder geteilt werden.
  • Seriöse Berichterstattung ist unabhängig und faktenbasiert. Desinformation erfolgt zielgerichtet, parteiisch und häufig unter Verschleierung ihres wahren Urhebers. Daher ist es ratsam,
    • Quelle und Urheber kritisch zu prüfen,
    • unabhängige Faktenchecks zu nutzen und
    • Inhalte mit weiteren vertrauenswürdigen Quellen (z. B. unabhängigen
      Zeitungen oder Nachrichtensendern) zu vergleichen. 
  • Unabhängige Medien recherchieren zu ihren Meldungen und bieten Zusatz- und Hintergrundinformationen bzw. Faktenchecks an. Bei Unsicherheiten finden sich in der Regel Hinweise, dass Bild- und Videomaterial oder Berichte aus Krisengebieten nicht unabhängig überprüft werden können.

Wenn Sie Informationen benötigen, Fragen zu Desinformation, hybriden Bedrohungen oder anderen Themen des Verfassungsschutzes haben oder Hinweise geben möchten, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

So erreichen Sie uns:

Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt
Nachtweide 82
39124 Magdeburg
Telefon: +49(0)391/567-3900
E-Mail: info.verfassungsschutz@mi.sachsen-anhalt.de