Europäisches Beihilferecht
Auf dieser Seite werden den Kommunen, kommunalen Verbänden und ihren wirtschaftlich tätigen Einrichtungen Informationen zur Verfügung gestellt, um die Anwendung des Europäischen Beihilferechts zu erleichtern und somit Beschwerdefälle, Negativentscheidungen bzw. Rückforderungen sowie Klagen zu vermeiden.
Die Darstellung der Konsequenzen von beihilferechtswidrigen Förderungen erfolgt aus Gründen der Risikosensibilisierung.
Es wird darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um grundlegende Informationen handelt und kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht. Die enthaltenen Angaben können eine rechtliche Beratung nicht ersetzen. Die verbindliche Auslegung des europäischen Beihilferechts ist der Europäischen Kommission und den europäischen Gerichten vorbehalten.
- Grundsätzliches
- Wann liegt eine Beihilfe vor?
- Definition der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV
- Was ist zu tun, wenn alle Kriterien des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegen?
- Was ist zu tun, wenn alle Kriterien des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegen?
- Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)
- De-minimis-Verordnung allgemein (De-minimis-VO)
- De-minimis-Verordnung zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI-De-minimis-VO)
- Freistellungsbeschluss der Europäischen Kommission in Bezug auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI-Freistellungsbeschluss)
- Notifizierungspflicht und Durchführungsverbot
- Notifizierungsverfahren
- Berichts- und Dokumentationspflichten
- Rechtsfolgen bei Verstoß gegen Beihilfevorschriften
- Änderung von bereits genehmigten EU-Beihilfen
- Für weiterführende Informationen wird auf die nachfolgenden Links verwiesen:
Grundsätzliches
Das EU-Beihilferecht verfolgt den Schutz des freien, redlichen, unverfälschten und wirksamen Wettbewerbs in der Europäischen Union und soll diesen insbesondere vor staatlichen Eingriffen zugunsten einzelner Unternehmen oder Wirtschaftszweige schützen.
Da staatliche Beihilfen (Subventionen) an einzelne Unternehmen den Wettbewerb auf dem EU-Binnenmarkt verfälschen können, gilt daher grundsätzlich ein Beihilfeverbot. Beihilfen müssen deshalb vor ihrer Gewährung bei der Europäischen Kommission grundsätzlich angemeldet werden (sog. Notifizierung). Die Kommission prüft dann, ob eine Genehmigungsvorschrift eingreift, auf deren Grundlage sie die Beihilfe genehmigen kann.
Eine Beihilfe ist mit dem Binnenmarkt vereinbar und damit genehmigungsfähig, wenn die Beihilfe nicht über das erforderliche Maß hinausgeht, um ein Ziel von gemeinsamen europäischen Interessen zu erreichen oder dieses Ziel im Vergleich zu der entstehenden Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt überwiegt.
Zu den staatlichen Beihilfen zählen nicht nur direkte finanzielle Zuwendungen, sondern auch zinsverbilligte Darlehen, Staatsgarantien, Kapitalzuführungen, Schuldenerlasse, Steuervergünstigungen oder auch die Bereitstellung von Grundstücken, Waren, Dienstleistungen oder Infrastrukturen zu Sonderkonditionen. Beihilfenempfänger können sämtliche Einheiten sein, die wirtschaftlich tätig sind, so zum Beispiel auch kommunale Unternehmen.
Jedoch stellt nicht jede finanzielle Zuwendung aus öffentlichen Mitteln auch eine Beihilfe im Sinne des EU-Rechts dar. Eine Beihilfe liegt nur vor, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind.
Wann liegt eine Beihilfe vor?
Wann eine Beihilfe tatbestandlich vorliegt, ergibt sich aus Art. 107 Abs. 1 AEUV. Dort heißt es:
„Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“
Der erste wichtige Schritt besteht also darin, den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu prüfen und Beihilfen zu erkennen. Danach setzt die Erfüllung des Beihilfetatbestandes das kumulative Vorliegen folgender Merkmale voraus:
- Unternehmenseigenschaft des Beihilfeempfängers
- Vorliegen einer Begünstigung
- Finanzierung aus staatlichen Mitteln
- Selektivität der Begünstigung
- (potenzielle) Verfälschung des Wettbewerbs
- Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels
Da alle Tatbestandsmerkmale kumulativ vorliegen müssen, reicht es aus, wenn ein einziges Tatbestandsmerkmal nicht gegeben ist, um die Beihilferelevanz einer Maßnahme ausschließen zu können.
Die Prüfungsreihenfolge der einzelnen Tatbestandsmerkmale ist dabei unerheblich, d. h. es kann zweckmäßigerweise auch mit dem Tatbestandsmerkmal begonnen werden, dessen Verneinung im jeweiligen Einzelfall am erfolgversprechendsten erscheint.
Es wird empfohlen, die interne Prüfung schriftlich festzuhalten und das Ergebnis der Beihilfeprüfung sowie die tragenden Gründe sorgfältig zu dokumentieren und mindestens zehn Jahre zur Akte zu nehmen.
Weist die geplante Fördermaßnahme jedoch sämtliche angeführten Kriterien auf, so ist grundsätzlich (Ausnahmen vgl. „Was ist zu tun, wenn alle Kriterien des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegen?“) davon auszugehen, dass eine Beihilfe im Sinne des Vertrages über die Arbeitsweise der EU besteht.
Definition der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV
1. Unternehmenseigenschaft des Beihilfeempfängers
Beihilfevorschriften gelten nur für Unternehmen. Der Begriff des „Unternehmens“ ist weit auszulegen. Umfasst sind alle Organisationseinheiten, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art der Finanzierung.
- Unter „wirtschaftlicher Tätigkeit“ ist jede Tätigkeit zu verstehen, die darin besteht, Waren oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten.
- Die Gewinnerzielungsabsicht der Einrichtung spielt dabei keine Rolle. Auch kirchliche, karitative und gemeinnützige Vereine können als Unternehmen gewertet werden, sofern sie einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen.
- Ebenso wenig ist die Organisationsstruktur eines Unternehmens relevant. Regie- und Eigenbetriebe öffentlicher Körperschaften können beispielsweise als Unternehmen qualifiziert werden, sofern diese Betriebe nicht nur intern für die öffentliche Körperschaft tätig sind, sondern auch Leistungen auf dem Markt anbieten.
Der beihilferechtliche Unternehmensbegriff ist damit rein funktional, d. h. nur von der Art der ausgeübten Tätigkeit abhängig.
Auch eine privat- oder öffentlich-rechtlich ausgestaltete Einheit in öffentlicher Hand kann ganz oder teilweise ein Unternehmen sein, soweit sie wirtschaftlich tätig ist.
Eine wirtschaftliche Tätigkeit liegt nicht vor, wenn hoheitlich gehandelt wird.
2. Vorliegen einer Begünstigung
Eine Begünstigung in Form einer finanziellen Zuwendung bzw. eines geldwerten Vorteils liegt vor, wenn
- die potenziellen Beihilfeempfänger keine angemessene, marktgerechte Gegenleistung erbringen oder
- die Belastungen, die ein potenzieller Beihilfeempfänger normalerweise zu tragen hätte, sich verringern.
Die Beweggründe und Ziele einer Maßnahme sind hierbei unbeachtlich. Begünstigungen können in unterschiedlicher Weise erfolgen und müssen nicht unbedingt in Form reiner Geldleistungen erbracht werden. Für das Vorliegen einer Begünstigung kommt es weder auf den Grund noch das Ziel des staatlichen Eingreifens an. Entscheidend ist allein die Wirkung der Maßnahme bei ihrem Empfänger. Eine Begünstigung liegt immer dann vor, wenn sich die finanzielle Lage eines Unternehmens verbessert, weil der Staat zu von den normalen Marktbedingungen abweichenden Konditionen eingreift. Es genügt jeder geldwerte Vorteil.
Ein Vorteil kann (auch) mittelbar sein, also im Ergebnis (auch) anderen Unternehmen gewährt werden als denjenigen, denen die staatlichen Mittel unmittelbar zufließen. Dabei handelt es sich um eine mittelbare Begünstigung, die vorliegt, wenn ein Vorteil an ein drittes oder an dritte Unternehmen „durchgeleitet“ wird.
Eine Begünstigung liegt nicht vor, wenn ein privater Investor unter gleichen Bedingungen gleiche Maßnahmen in einem Unternehmen gleicher Größe tätigen würde (Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten). Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Staat für seine Leistung eine marktübliche Gegenleistung erhält bzw. eine marktübliche Rendite zu erwarten ist. Für die Prüfung, ob eine marktübliche Gegenleistung vorliegt, kann der sogenannte Market Economy Operator Test (MEOT) oder auch Private Investor Test (PIT) – nähere Informationen hierzu finden Sie im Internet – verwendet werden. Da Zuschüsse und Subventionen ohne Gegenleistung gewährt werden, kann nach den genannten Maßstäben regelmäßig von einer Begünstigung ausgegangen werden.
3. Finanzierung aus staatlichen Mitteln
Eine Beihilfe kann nur dann vorliegen, wenn die in Anspruch genommenen Mittel unmittelbar oder mittelbar vom Staat stammen. Entscheidend ist immer, ob die gewährten Mittel der staatlichen Kontrolle unterliegen und somit dem Staat zur Verfügung stehen.
Auf kommunaler Ebene liegen die Voraussetzungen hierfür z. B. dann vor, wenn Überschüsse einer städtischen Gesellschaft auf der einen Seite (z. B. Erträge aus der Energieversorgung) auf Anweisung des verantwortlichen kommunalen Trägers zur Abdeckung von Verlusten anderer städtischer Gesellschaften (z. B. für Museen oder Schwimmbäder) genutzt werden. In diesem Fall macht die staatliche Einflussnahme durch den kommunalen Träger originär private Einnahmen zu staatlichen Mitteln.
In diesem Zusammenhang ist die sog. Quersubventionierung zu erwähnen. Wenn ein Unternehmen sowohl wirtschaftliche als auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, besteht die Gefahr, dass die beihilferechtlich unbedenkliche Förderung der nicht-wirtschaftlichen Tätigkeit zu einer Quersubventionierung der wirtschaftlichen Tätigkeit und damit zu einer Beihilfe führt. Dies kann ausgeschlossen werden, wenn sichergestellt ist, dass keine wirtschaftlichen Tätigkeiten ausgeübt werden, oder dass, wenn doch eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, getrennte Bücher geführt werden, in denen die Kosten und Einnahmen ordnungsgemäß zugewiesen werden.
4. Selektivität der Begünstigung
Eine staatliche Maßnahme muss „bestimmte“, also selektiv ausgewählte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen, um als EU-Beihilfe eingestuft zu werden.
Allgemeine Maßnahmen, die nicht nur ausgewählte Unternehmen oder Produktionszweige bevorzugen, sind keine Beihilfen. Allgemeine Maßnahmen stehen allen Unternehmen und Produktionszweigen nach objektiven Kriterien unabhängig von ihrer Größe, ihrer Branchenzugehörigkeit und ihrem Standort offen.
5. (potenzielle) Verfälschung des Wettbewerbs
Nur Beihilfen, die den Wettbewerb verfälschen oder den Wettbewerb zu verfälschen drohen, sind unzulässig.
Geprüft wird in diesem Zusammenhang, ob durch die Beihilfe die Stellung des Beihilfeempfängers gegenüber seinen Mitbewerbern verbessert werden kann.
Nicht erforderlich ist, dass der Wettbewerb tatsächlich verfälscht wird. Allein die Möglichkeit der Verfälschung des Wettbewerbs reicht aus, um dieses Kriterium zu erfüllen.
Dieses Merkmal ist in der Regel erfüllt, da jede Zuwendung eines finanziellen Vorteils an ein Unternehmen dessen Situation im Wettbewerb verbessert und sich dadurch auch die Situation des gewährenden Mitgliedstaats im Wettbewerb um Wirtschaftsstandorte und Beschäftigung positiv entwickelt (weite Auslegung).
6. Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels
Die staatliche Maßnahme muss den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen können.
Das ist immer dann der Fall, wenn die Marktstellung des begünstigten Unternehmens gegenüber seinen Mitbewerbern aus anderen EU-Mitgliedstaaten gestärkt wird. Es genügt die Möglichkeit der Behinderung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Der rein lokale und regionale Charakter einer Maßnahme bedeutet nicht automatisch, dass eine Maßnahme den grenzüberschreitenden Handel nicht beeinflusst.
Aber: Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten können nicht bloß vermutet werden. Es muss festgestellt werden, warum die Maßnahme den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht und warum sie Auswirkungen auf den Handel haben könnte. In einer Reihe von Beschlüssen hat die EU-Kommission festgestellt, dass der Beihilfeempfänger Waren oder Dienstleistungen nur in einem geografisch begrenzten Gebiet anbot und es unwahrscheinlich war, dass er Kunden aus anderen Mitgliedstaaten gewinnen würde. Überdies war nicht davon auszugehen, dass die Maßnahme mehr als marginale Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen oder die Niederlassung von Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten haben würde.
Was ist zu tun, wenn alle Kriterien des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegen?
Sind alle Kriterien des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt, ist vom Vorliegen einer Beihilfe auszugehen. Als nächster Schritt ist zu prüfen, ob eine Ausnahmeregelung zur Anwendung gelangt, welche die geplante Beihilfe erlaubt.
Ausnahmeregelungen, die zur Anwendung gelangen könnten:
1. Ausnahmebestimmungen eines vom Rat oder von der Europäischen Kommission erlassenen Rechtsakts
In der Praxis sind vor allem die von den Mitgliedstaaten oder von der Europäischen Kommission erlassenen Ausnahmeregeln von Bedeutung. Nachstehende Rechtsakte sind besonders hervorzuheben:
- Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)
- De-minimis-Verordnung allgemein (De-minimis-VO)
- Freistellungsbeschluss der Europäischen Kommission in Bezug auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI-Freistellungsbeschluss)
- De-minimis-Verordnung zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI-De-minimis-VO)
2. Ausnahmebestimmungen, die sich aus Mitteilungen der Europäischen Kommission ergeben
Neben den Ausnahmeregelungen, die direkt im EU-Recht verankert sind, gibt es von der Europäischen Kommission veröffentlichte Rechtsmeinungen (sog. „Mitteilungen“), die Vorgaben für die Durchführung von bestimmten Transaktionen enthalten. Werden diese Vorgaben von den Mitgliedstaaten freiwillig beachtet, geht die Europäische Kommission davon aus, dass keine anmeldungspflichtige EU-Beihilfe vorliegt.
3. Ausnahmebestimmungen des AEUV
Ausnahmebestimmungen können sich unmittelbar aus dem AEUV ergeben, so zum Beispiel Art. 107 Abs. 2 AEUV oder Art. 93 AEUV.
Erfüllt eine bestimmte Maßnahme den Tatbestand der Beihilfe und ist diese Beihilfe nicht nach Maßgabe einer der vorgenannten Legalausnahmen von der Notifizierungspflicht freigestellt, so ist sie vor ihrer Durchführung bei der Kommission zur Prüfung und Genehmigung anzumelden.
Was ist zu tun, wenn alle Kriterien des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegen?
Sind alle Kriterien des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt, ist vom Vorliegen einer Beihilfe auszugehen. Als nächster Schritt ist zu prüfen, ob eine Ausnahmeregelung zur Anwendung gelangt, welche die geplante Beihilfe erlaubt.
Ausnahmeregelungen, die zur Anwendung gelangen könnten:
1. Ausnahmebestimmungen eines vom Rat oder von der Europäischen Kommission erlassenen Rechtsakts
In der Praxis sind vor allem die von den Mitgliedstaaten oder von der Europäischen Kommission erlassenen Ausnahmeregeln von Bedeutung. Nachstehende Rechtsakte sind besonders hervorzuheben:
- Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)
- De-minimis-Verordnung allgemein (De-minimis-VO)
- Freistellungsbeschluss der Europäischen Kommission in Bezug auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI-Freistellungsbeschluss)
- De-minimis-Verordnung zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI-De-minimis-VO)
2. Ausnahmebestimmungen, die sich aus Mitteilungen der Europäischen Kommission ergeben
Neben den Ausnahmeregelungen, die direkt im EU-Recht verankert sind, gibt es von der Europäischen Kommission veröffentlichte Rechtsmeinungen (sog. „Mitteilungen“), die Vorgaben für die Durchführung von bestimmten Transaktionen enthalten. Werden diese Vorgaben von den Mitgliedstaaten freiwillig beachtet, geht die Europäische Kommission davon aus, dass keine anmeldungspflichtige EU-Beihilfe vorliegt.
3. Ausnahmebestimmungen des AEUV
Ausnahmebestimmungen können sich unmittelbar aus dem AEUV ergeben, so zum Beispiel Art. 107 Abs. 2 AEUV oder Art. 93 AEUV.
Erfüllt eine bestimmte Maßnahme den Tatbestand der Beihilfe und ist diese Beihilfe nicht nach Maßgabe einer der vorgenannten Legalausnahmen von der Notifizierungspflicht freigestellt, so ist sie vor ihrer Durchführung bei der Kommission zur Prüfung und Genehmigung anzumelden.
Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)
Verordnung - 2023/1315 - EN - EUR-Lex (europa.eu)
Die AGVO erklärt unter bestimmten Voraussetzungen abschließend aufgeführte Fallgruppen von Beihilfen für mit dem Binnenmarkt vereinbar, ohne dass es der Durchführung eines Notifizierungsverfahrens bedarf (sog. Freistellung von der Notifizierungspflicht). Maßnahmen, für die festgestellt worden ist, dass sie tatbestandlich eine Beihilfe darstellen, und die von der AGVO erfasst werden, sind also von der Notifizierungspflicht freigestellt. Für solche Maßnahmen wird die Vereinbarkeitsprüfung der Europäischen Kommission antizipiert. Sie sind somit ohne Notifizierung als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen.
In diesen Fällen ist die Maßnahme (eine Ad-hoc-Beihilfe, also eine Einzelbeihilfe, die nicht auf der Grundlage einer Beihilferegelung gewährt wird oder Beihilferegelung) bei der Kommission anzuzeigen. Dabei wird der Kommission über das elektronische Anmeldesystem (SANI2) neben verschiedenen Indikatoren auch der Wortlaut der Maßnahme übermittelt. Diese sog. „Blitzmeldung“ muss spätestens 20 Arbeitstage nach Gewährung der Beihilfe bzw. nach Inkrafttreten der Beihilferegelung erfolgt sein.
Im „Handbuch über staatliche Beihilfen“ des BMWi gibt es hierzu ab S. 100 ff. anschauliche technische und inhaltliche Hinweise zum Ausfüllen eines AGVO-Anzeigeformulars in SANI2.
Für alle im Rahmen der AGVO gewährten Beihilfen gelten „allgemeine Bedingungen“ (Kapitel 1, 2 und 4 der Verordnung) sowie weitere besondere Anforderungen für einzelne Beihilfekategorien (Kapitel 3 der Verordnung).
Zu den wesentlichen Bestimmungen der AGVO gehören:
a) „Deggendorf-Klausel“ (Art. 1 Abs. 4 lit. a AGVO)
In der Beihilferegelung muss ausdrücklich festgelegt sein, dass einem Unternehmen, das einer Rückforderungsanordnung aufgrund eines früheren Beschlusses der Kommission zur Feststellung der Unzulässigkeit einer Beihilfe und ihrer Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt nicht nachgekommen ist, keine Einzelbeihilfe gewährt werden darf. Art. 1 Abs. 4 lit. a AGVO ist konstitutiv formuliert und muss im Einzelfall geprüft werden.
b) Unternehmen in Schwierigkeiten (Art. 1 Abs. 4 lit. c AGVO)
Unternehmen in Schwierigkeiten dürfen (vgl. Art. 2 Z 18 AGVO) keine Beihilfen gewährt werden. Dies muss in der Beihilferegelung ausdrücklich festgelegt und im Einzelfall geprüft werden.
c) Transparente Beihilfeformen (Art. 5 AGVO)
Damit die Beihilfe als transparent gilt, muss das Bruttosubventionsäquivalent (Art. 2 Nr. 22 AGVO) genau bestimmbar sein. Voraussetzungen, unter denen bestimmte spezifische Beihilfeinstrumente wie Kredite, Garantien, steuerliche Maßnahmen, Risikofinanzierungsmaßnahmen und insbesondere rückzahlbare Vorschüsse als transparent angesehen werden können, sind in der AGVO festgelegt.
d) Anreizeffekt (Art. 6 AGVO)
Ein Anreizeffekt ist notwendig, damit reine Mitnahmeeffekte ausgeschlossen werden können. Sofern der Beihilfeempfänger vor Beginn der Arbeiten für das Vorhaben oder die Tätigkeit einen schriftlichen Beihilfeantrag gestellt hat, ist von einer Beihilfe mit Anreizeffekt auszugehen.
e) Anmeldeschwellen (Art. 4 AGVO) und Beihilfehöchstintensitäten (einzelne Artikel in Kapitel 3)
zu Anmeldeschwellen: Die Anmeldeschwelle ist der für die jeweilige Fallgruppe ohne Anmeldung zulässige absolute Höchstbetrag an Beihilfen. Für jede Beihilfemaßnahme sind einzelne Anmeldeschwellen festgelegt. Sofern diese überschritten werden, ist die AGVO nicht anwendbar.
zu Beihilfehöchstintensitäten: Hierbei handelt es sich um den Beihilfebetrag, der im Verhältnis zu den förderfähigen Kosten maximal gewährt werden kann. Sofern die Beihilfehöchstintensität überschritten wird, ist die Beihilfe nicht im Rahmen der AGVO freigestellt.
f) Kumulierung (Art. 8 AGVO)
Die Kumulierung von Beihilfen im Rahmen der AGVO mit anderen staatlichen Beihilfen für dieselben beilhilfefähigen Kosten ist akzeptabel, wenn durch diese Kumulierung die höchste nach der AGVO für diese Beihilfen geltende Beihilfeintensität (Art. 2 Nr. 26 AGVO) bzw. der höchste nach dieser Verordnung für diese Beihilfen geltende Beihilfebetrag nicht überschritten wird.
g) Veröffentlichungspflichten (Art. 9 AGVO)
Veröffentlichungspflichten gelten für Einzelbeihilfen ab 500.000 Euro. Für Einzelbeihilfen ab 500.000 Euro müssen die Informationen gemäß Anhang III der AGVO binnen sechs Monate ab Gewährung der Beihilfe auf der TAM-Webseite (Beihilfetransparenzmodul „Transparency Award Module“). veröffentlicht werden. Nach Ablauf der sechsmonatigen Veröffentlichungsfrist heilt ein nachträglicher TAM-Eintrag die Fristversäumnis nicht.
h) Ausnahmen
Mit einigen Ausnahmen (s. Art. 1 Abs. 2 bis 6 AGVO) gilt die AGVO für beinahe alle Sektoren der Wirtschaft.
i) Anforderungen an Information und Berichterstattung
Beihilfegewährende Stellen müssen der EU-Kommission innerhalb von 20 Arbeitstagen nach dem Inkrafttreten der Maßnahme eine Kurzbeschreibung über die Beihilfemaßnahme über SANI2 senden. Die benötigten Informationen sind in Anhang II der AGVO festgelegt.
Besonders wichtig ist es, dass die Informations- und Berichterstattungsanforderungen der AGVO inhaltlich, förmlich und zeitlich strikt eingehalten werden. Von der beihilfegewährenden Stelle wird erwartet, Nachweise, aus denen hervorgeht, dass die Regelungen gemäß den Bedingungen für staatliche Beihilfen durchgeführt werden, innerhalb kurzer Fristen vorzulegen. Um eine problemlose jährliche Berichterstattung zu ermöglichen und auf Anfragen der EU-Kommission innerhalb von 20 Arbeitstagen antworten zu können, wird empfohlen, entsprechende Aufzeichnungen sehr gründlich zu führen. Die Aufbewahrung dieser Aufzeichnungen hat für zehn Jahre ab dem Datum, an dem die Beihilfe gewährt wurde, zu erfolgen. Beihilfegewährende Stellen müssen in SANI2 auch einen Link zur Webseite der Beihilferegelung angeben. Diese sollte die vollständigen Informationen zur Beihilfemaßnahme enthalten, einschließlich aller Kriterien für die Beihilfefähigkeit, förderfähige Kosten, Geltungsbereich usw.
j) Begriffsdefinitionen und Erwägungsgründe als Auslegungshilfen
Um Begrifflichkeiten zu klären bzw. die Regelungsmotivation der EU-Kommission besser verstehen zu können, ist es empfehlenswert, Artikel 2 und die 77 am Anfang stehenden Erwägungsgründe der AGVO zu nutzen.
Während der gesamten Laufzeit einer Beihilfe ist die Konformität sicherzustellen. Hierbei gilt es zu beachten, dass auch kleine Änderungen einer Maßnahme oder des Umfanges einen großen Unterschied hinsichtlich der Einhaltung aller AGVO-Anforderungen ausmachen können und dass alle Änderungen oder Konformitätsthemen bei künftigen Prüfungen aufgegriffen werden können. Auch die Regelungen für staatliche Beihilfen können sich ändern, z. B bei einer erneuten Überarbeitung der AGVO. Es sind daher Verfahren einzurichten, die in einem solchen Fall sicherstellen, dass die Maßnahme überprüft, ggf. angepasst und neu angezeigt wird.
De-minimis-Verordnung allgemein (De-minimis-VO)
Verordnung - EU - 2023/2831 - DE - EUR-Lex (europa.eu)
Beihilfemaßnahmen, die die Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen, werden als Maßnahmen angesehen, die nicht alle Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen, und daher nicht dem Anmeldeverfahren unterliegen.
Eine vorherige Notifizierung bzw. Anzeige und Genehmigung ist somit nicht notwendig. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass eine öffentliche Förderung, welche die De-minimis-VO erfüllt, eine vernachlässigbare Auswirkung auf Handel und Wettbewerb hat und daher schon tatbestandlich keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist.
Der Gesamtbetrag der einem einzigen Unternehmen von einem Mitgliedstaat gewährten De-minimis-Beihilfen darf 300.000 EUR nicht übersteigen.
Zugrunde zu legen ist dabei ein „rollierender Zeitraum“ von drei Jahren. Bei der Gewährung einer De-minimis-Beihilfe kommt es daher auf den Dreijahreszeitraum ab konkreter Gewährung an und nicht auf das Steuerjahr.
Die De-minimis-VO gilt ausdrücklich nur für Beihilfen, deren Wert (also das Bruttosubventionsäquivalent) im Voraus genau berechnet werden kann, ohne dass eine Risikobewertung erforderlich ist („transparente Beihilfen“, Art. 4 Abs. 1 De-minimis-VO).
Für die Überwachung der Beihilfegewährung und um zu gewährleisten, dass der Höchstbetrag nicht überschritten wird und die Kumulierungsregeln eingehalten werden, besteht ab dem 1. Januar 2026 die Verpflichtung, alle einschlägigen Angaben zu gewährten De-minimis-Beihilfen in einem zentralen Register zu erfassen. Die Kommission wird hierfür ein Zentralregister auf Unionsebene einrichten. Die erste Datenübermittlung erfolgt für zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2026 gewährte De-minimis-Beihilfen. Die Erfassung hat innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Gewährung der Beihilfe zu erfolgen.
Sobald das Register Daten für einen Zeitraum von drei Jahren enthält, wird sich der Verwaltungsaufwand für die Unternehmen verringern, da sie von bisherigen Meldepflichten entlastet werden.
Für den Übergangszeitraum teilt die Bewilligungsstelle dem Antragsteller die Höhe der De-minimis-Beihilfe in einer Bescheinigung mit (Art. 7 Abs. 4 S.1 De-minimis-VO). Die Beihilfe wird nach Art. 7 Abs. 4 De-minimis-VO erst gewährt, nachdem das Unternehmen alle vorliegenden De-minimis-Bescheinigungen für den Zeitraum von drei Jahren vorgelegt hat.
Zudem sind insbesondere die Übergangsbestimmungen des Art. 7 Abs. 2 und 3 De-minimis-VO zu beachten.
De-minimis-Verordnung zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI-De-minimis-VO)
Verordnung - EU - 2023/2832 - DE - EUR-Lex (europa.eu)
Die Verordnung gilt grundsätzlich nur für Beihilfen an Unternehmen, die mit der Erbringung von DAWI betraut sind.
„De-minimis“ bedeutet, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen oben genannter Verordnung die Europäische Kommission aufgrund der Geringfügigkeit der jeweiligen Beihilfe davon ausgeht, dass keine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten vorliegt und somit der Beihilfetatbestand im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht erfüllt ist.
Unter der Voraussetzung, dass die Art der Beihilfe transparent ist, gilt diese Verordnung für Beihilfen, die als Zuschuss, Darlehen oder Bürgschaft gewährt werden. Es muss auch eine Art der Betrauung zwischen dem Empfänger und der beihilfegewährenden Stelle geben. Die im Rahmen dieser Verordnung gewährte Beihilfe muss nicht an die Europäische Kommission gemeldet werden. Jedoch muss die beihilfegewährende Stelle den Empfänger darüber informieren, dass die Beihilfe als De-minimis-Beihilfe gewährt wird.
Vor der Anwendung der DAWI-De-minimis-VO muss geprüft werden, ob es sich wirklich um eine DAWI handelt (vgl. Art. 1 Abs. 1) handelt. Der Gesamtbetrag aller De-minimis-Beihilfen an ein Unternehmen, das eine DAWI erbringt, darf in drei Jahren den Gesamtbetrag von 750.000 Euro nicht übersteigen (Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 2023/2832). Der Betrag von 750.000 Euro bezieht sich auf den Fall eines Barzuschusses.
Zugrunde zu legen ist dabei ein „rollierender Zeitraum“ von drei Jahren. Bei der Gewährung einer derartigen Beihilfe kommt es daher auf den Dreijahreszeitraum ab konkreter Gewährung an und nicht auf das Steuerjahr.
Für die Überwachung der Beihilfegewährung und um zu gewährleisten, dass der Höchstbetrag nicht überschritten wird und die Kumulierungsregeln eingehalten werden, besteht ab dem 1. Januar 2026 die Verpflichtung, alle einschlägigen Angaben zu gewährten De-minimis-Beihilfen in einem zentralen Register zu erfassen. Die Kommission wird hierfür ein Zentralregister auf Unionsebene einrichten. Die erste Datenübermittlung erfolgt für zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2026 gewährte De-minimis-Beihilfen. Die Erfassung hat innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Gewährung der Beihilfe zu erfolgen.
Für den Übergangszeitraum nach Art. 7 Abs. 4 S. 4 DAWI-De-minimis-VO fordert die Bewilligungsstelle beim Antragsteller vorliegende De-minimis-Bescheinigungen ab (vgl. „De-minimis-Verordnung allgemein (De-minimis-VO)“). Die Bewilligungsstelle teilt dem Antragsteller die Höhe der De-minimis-Beihilfe in einer Bescheinigung mit (Art. 7 Abs. 4 S.1 De-minimis-VO).
Freistellungsbeschluss der Europäischen Kommission in Bezug auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI-Freistellungsbeschluss)
Entscheidung - 2012/21 - EN - EUR-Lex (europa.eu)
Im DAWI-Freistellungsbeschluss sind die Voraussetzungen festgelegt, unter denen Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar sind und nicht vorab bei der Europäischen Kommission angemeldet werden müssen.
Nach diesem Freistellungsbeschluss können Unternehmen, die mit der Erbringung von DAWI betraut sind, staatliche Ausgleichsleistungen von bis zu 15 Mio. Euro pro Jahr gewährt werden (keine Begrenzung für sozialen Wohnungsbau, Krankenhäuser und eine Reihe von festgelegten Sozialleistungen).
Auf die Bereiche Verkehr und Verkehrsinfrastruktur findet der DAWI-Freistellungsbeschluss grundsätzlich keine Anwendung.
Eine Förderung nach diesem Freistellungsbeschluss kommt auch für Unternehmen in Schwierigkeiten in Betracht, da dieser keine Bestimmungen enthält, die seiner Anwendung entgegenstehen würde.
Es bedarf einer schriftlichen Form von Betrauung zwischen dem Begünstigten und der beihilfegewährenden Stelle. Die Betrauung muss durch eine staatliche Stelle vorgenommen werden. Eine Betrauung durch ein öffentliches Unternehmen ist nicht möglich.
Zu den Anforderungen an den Inhalt eines Betrauungsaktes gehören (Art. 4 DAWI-Freistellungsbeschluss):
- Gegenstand und Dauer der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung
- das Unternehmen und das betreffende Gebiet
- Art etwaiger dem Unternehmen durch die Bewilligungsbehörde gewährter ausschließlicher oder besonderer Rechte
- Beschreibung des Ausgleichsmechanismus und Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistungen
- Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung von Überkompensationszahlungen.
Daneben muss für eine Freistellung bereits im Betrauungsakt auf den DAWI-Freistellungsbeschluss verwiesen werden. Eine verbindliche europarechtliche Formvorschrift besteht für den Betrauungsakt jedoch nicht. Für eine Freistellung ist die Dauer der Betrauung auf zehn Jahre zu begrenzen (Art. 2 Abs. 2 DAWI-Freistellungsbeschluss). Eine längere Betrauung ist nur möglich, wenn eine erhebliche Investition seitens des Dienstleistungserbringers erforderlich ist, die nach allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen über einen längeren Zeitraum abgeschrieben werden muss. Nach Ablauf des ersten Betrauungszeitraums kann das Unternehmen jedoch erneut mit derselben DAWI betraut werden. Dies ist auch der Fall, wenn zuvor eine Maximaldauer für die Betrauung festgelegt wurde.
Zwischenzeitlich sind zahlreiche Beispiele für Betrauungsakte im Internet abrufbar, die zum einen als Formulierungshilfe herangezogen werden und zum anderen die Nachvollziehbarkeit der dargestellten Ausführungen über die Anforderungen an einen Betrauungsakt erleichtern können.
Notifizierungspflicht und Durchführungsverbot
Eine Notifizierungspflicht – und damit ein Durchführungsverbot bis zur abschließenden Genehmigung – besteht gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV nur für tatbestandsmäßige Beihilfen, also für solche Maßnahmen, die den Beihilfetatbestand nach Art. 107 Abs. 1 AEUV vollständig erfüllen (s. u. „Wann liegt eine Beihilfe vor?“).
Liegt hingegen nur ein Tatbestandsmerkmal des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht vor, handelt es sich tatbestandlich nicht um eine Beihilfe. Solche Maßnahmen müssen nicht notifiziert werden.
Liegt tatbestandlich eine Beihilfe vor und stehen Ausnahmeregelungen (vgl. „Was ist zu tun, wenn alle Kriterien des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegen?“) nicht zur Verfügung, ist grundsätzlich eine sog. Einzelnotifizierung durch die Europäische Kommission erforderlich. Dies ergibt sich aus Art. 108 Abs. 3 AEUV.
Solange die Europäische Kommission keine abschließende Entscheidung erlassen hat, darf die Maßnahme nicht durchgeführt werden. Dieses Durchführungsverbot besitzt unmittelbare Wirkung, d. h. es ist von deutschen Verwaltungsbehörden gemäß Art. 20 Abs. 3 GG wie ein nationales Gesetz zu beachten.
Wird gegen das Durchführungsverbot verstoßen, ist die gewährte Beihilfe bereits aus diesem Grund – ungeachtet einer eventuellen Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt – formell rechtswidrig. Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH sind die der Beihilfengewährung zugrunde liegenden Rechtsakte in diesem Fall ungültig.
Der Beihilfegeber hat zu entscheiden, ob eine beabsichtigte Maßnahme als Beihilfe einzustufen ist, die der Europäischen Kommission gemeldet werden muss. Die Prüfung des Beihilfegebers sollte stets genau und gewissenhaft erfolgen, denn die Europäische Kommission legt bei einem Verfahren einen äußerst strengen Prüfungsmaßstab an.
Die Einholung einer entsprechenden Genehmigung der Europäischen Kommission muss zwingend vor der Beihilfegewährung erfolgen. Bei einer Standard-Notifizierung dauert es regelmäßig 6 – 12 Monate, bis die Beihilfe genehmigt wird. Bei Notifizierungen, die neue, komplexe Fragestellungen aufwerfen, umstritten sind oder nicht unter die bestehenden Regelungen fallen, könnte es noch länger dauern, insbesondere dann, wenn ein förmliches Prüfverfahren eröffnet wird.
Die EU-Kommission kann nicht notifizierte Beihilfen bis zu zehn Jahre in die Vergangenheit aufgreifen und gegebenenfalls für (formell) rechtswidrig erklären. Diese Verjährungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfen; dieser wiederum ist definiert als der Zeitpunkt, zu dem der Empfänger einen bindenden Anspruch auf die Beihilfe erworben hat.
Notifizierungsverfahren
Im Hinblick auf die Anwendung der Art. 93 und 107 AEUV ist die Kommission nach Art. 108 AEUV insbesondere für Beschlüsse über die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt zuständig. Dies gilt für die Überprüfung bestehender Beihilferegelungen, die Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen und die Nichtbefolgung ihrer Beschlüsse oder der Anmeldungspflicht. Die Kommission ist darüber so rechtzeitig zu informieren, dass diese sich dazu äußern kann und somit überprüfen kann, ob die Vereinbarkeit der geplanten Fördermaßnahme mit dem Binnenmarkt gegeben ist (Notifizierung).
Bei der Kommission notifizierungspflichtig im Sinne von Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV sind grundsätzlich nur solche Subventionen und Fördermaßnahmen, bei denen alle Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt sind.
Beihilfen, für die allein eine einzelfallbezogene Vereinbarkeitsprüfung in Betracht kommt, müssen vor ihrer Durchführung bei der Kommission angemeldet werden; bis zur Freigabe durch die Kommission unterliegen sie einem Durchführungsverbot. Das Prüfverfahren ist in der Beihilfeverfahrensverordnung 2015/1589 (BVVO) und der Durchführungsverordnung 794/2004 zur BVVO geregelt.
Das Verfahren im Fall angemeldeter Beihilfen ist in den Art. 2 bis Art. 11 BVVO niedergelegt. Die Anmeldung von Beihilfen erfolgt mit dem Antrag, sie mit dem Binnenmarkt für vereinbar zu erklären. Aus Gründen der Rechtssicherheit können jedoch auch Maßnahmen als „Nicht-Beihilfe“ angemeldet werden (sog. Non-Aid-Notifizierung). Mit dem Anmeldeformular (Verordnung (EG) 794/2004 Anhang I Teil I) ist u.a. eine Anmeldung als „Maßnahme, die keine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt, die jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit bei der Kommission angemeldet wird“ möglich. Die Notifizierung (auf dem Dienstweg) kann nur durch die Bundesregierung (Beihilfereferat des BMWK) erfolgen und nicht durch den Beihilfeempfänger, das Land oder die Kommunen.
Für die Kontrolle der Einhaltung der Notifizierungspflicht und die Durchführung der Notifizierungsverfahren ist in Sachsen-Anhalt das für Beihilfen zuständige Referat im Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten zuständig; alle Notifizierungsverfahren laufen hierüber. Anschließend werden die Notifizierungsunterlagen über das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) an die Kommission weitergeleitet.
Eine Ausarbeitung zum Thema „Das Notifizierungsverfahren der Europäischen Kommission“ finden Sie auf der Seite des Deutschen Bundestages unter dem nachfolgend aufgeführten Link:
Microsoft Word - 13-09 Das Notifizierungsverfahren der Europäischen Kommission.doc (bundestag.de)
Berichts- und Dokumentationspflichten
Die Dokumente zur Beihilfegewährung, aber auch das Ergebnis einer internen Prüfung, nach der es sich bei aus öffentlichen Mitteln gewährten finanziellen Leistungen an Unternehmen nicht um eine Beihilfe handelt, sind mindestens zehn Jahre aufzubewahren. Auf Verlangen sind sie der Europäischen Kommission kurzfristig vorzulegen, d. h. sie müssen jederzeit in detaillierter Form zur Verfügung stehen. Aus diesen Unterlagen müssen sich nachvollziehbar (ohne jeglichen Zweifel) die konkreten Umstände ergeben, weshalb die gewährte Beihilfe von der Anmeldepflicht befreit war.
Die einzelnen Anforderungen an die Berichts- und Dokumentationspflicht finden sich in der AGVO in den Art. 9, 10, 11 und 12; in der DE-MINIMIS-VO 2023 in Art. 6; in der DAWI-DE-MINIMIS-VO 2023 in Art. 6; in der Bürgschaftsmitteilung unter Punkt 6 und in dem DAWI-Freistellungsbeschluss in den Art. 8 und 9.
Die Transparenz- und Berichtspflichten sind ein zentraler Bestandteil im beihilferechtlichen Verwaltungsprozess. Für die Erfüllung dieser Pflichten stellt die EU-Kommission drei elektronische Systeme bereit:
- State Aid Notification Interactive 2 (SANI2)
- State Aid Reporting Interactive (SARI) und
- Transparency Award Module (TAM).
Alle drei Datenbanken kommen zum Beispiel bei der Gewährung von Beihilfen nach der AGVO zur Anwendung.
Beihilfen für DAWI und De-minimis Beihilfen sind in SANI2, SARI und TAM nicht anzeige- oder berichtspflichtig. Für sie gelten teilweise andere Berichtspflichten.
Die Meldungen für DAWI-Beihilfen erfolgen alle zwei Jahre.
Rechtsfolgen bei Verstoß gegen Beihilfevorschriften
Sofern rechtswidrig eine Beihilfe gewährt wird (formelle und/oder materielle Beihilfewidrigkeit), liegt ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vor. Dies hat zur Folge, dass die rechtswidrige Beihilfe zurückgefordert werden muss und vom Begünstigten inkl. Zinsen seit dem Tag der Auszahlung zurückzuerstatten ist (vgl. Art. 16 Beihilfeverfahrensverordnung 2015/1589).
Sowohl die Geschäftsführung als auch die Aufsichtsräte treffen im Zusammenhang mit EU-Beihilfen Pflichten, deren Verletzung zu einer persönlichen Haftung der betroffenen Leitungsorgane führen kann.
Die Gewährung rechtswidriger Beihilfen kann sowohl für Beihilfegeber als auch Beihilfenehmer erhebliche negative Konsequenzen nach sich ziehen.
- Verträge öffentlicher Gebietskörperschaften und ihrer Unternehmen über rechtswidrige Beihilfen sind nichtig.
- Anordnung der Rückforderung durch die Kommission, d. h. die beihilfegewährende Stelle ist zur Rückforderung verpflichtet, relevant sind formelle und/oder materielle Beihilfewidrigkeit.
- Bei Verstößen gegen das EU-Beihilferecht kann von Dritten vor den nationalen Gerichten auf Unterlassung und/oder Schadenersatz geklagt werden.
- Rechtswidrige Beihilfen sind vom Beihilfeempfänger samt Zinsen zurückzuzahlen. Dies kann die wirtschaftliche Existenz des Beihilfeempfängers bedrohen.
- Zusätzliche Festsetzung von Bußgeldern durch die Kommission.
- Persönliche Haftung der beteiligten Verantwortungsträger sowie daraus gegebenenfalls folgende dienst-, arbeits- und amtshaftungsrechtliche Reaktionen.
Änderung von bereits genehmigten EU-Beihilfen
Was vorab für die Einführung neuer Beihilfen dargestellt wurde, gilt auch für die Umgestaltung und für eine Verlängerung einer bestehenden Beihilfe. Die geplante Änderung oder Verlängerung einer bereits genehmigten EU-Beihilfe muss der Europäischen Kommission zur Prüfung vorgelegt werden, bevor sie durchgeführt werden darf. Auf bestimmte geringfügige Änderungen bestehender Beihilfen ist zudem ein vereinfachtes Anmeldungsverfahren anwendbar.
Für weiterführende Informationen wird auf die nachfolgenden Links verwiesen:
Veröffentlichungen der EU-Kommission
Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003H0361
Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Verordnung - 2015/1589 - EN - EUR-Lex (europa.eu)
Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Verordnung - 794/2004 - DE - EUR-Lex (europa.eu)
Veröffentlichungen des Bundes
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz - Musterbetrauungsakt
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Handbuch über staatliche Beihilfen
„Deutscher Public Corporate Governance-Musterkodex“ (D-PCGK)
DPCGM_Vierte-Fassung_final.pdf (pcg-musterkodex.de)
Veröffentlichungen anderer Bundesländer
Handbuch Europäisches Beihilferecht für Kommunen und kommunale Unternehmen
Handbuch Europäisches Beihilferecht für Kommunen und kommunale Unternehmen (publicgovernance.de)
Handreichung zum Europäischen Beihilferecht
Microsoft Word - SNOT Handreichung_ Entwurf.docx (rlp.de)
Leitfaden zum Beihilferecht, Band 1 bis 4
Veröffentlichungen Landesportal
Handbuch über die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden in Sachsen-Anhalt