75. Jahrestag der Errichtung des KZ
Lichtenburg /
Staatssekretär Rüdiger Erben zur Gedenkveranstaltung ...
20.06.2008, Magdeburg – 149
- Ministerium für Inneres und Sport
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 149/08
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 149/08
Magdeburg, den 20. Juni 2008
75. Jahrestag der Errichtung des KZ
Lichtenburg /
Staatssekretär Rüdiger Erben zur Gedenkveranstaltung ...
Staatssekretär
Rüdiger Erben zur Gedenkveran staltung: Mit
Blick auf die Geschichte Augenmerk auf die Zukunft der Gedenkstätte richten
Anlässlich
der Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Errichtung des Konzentrations lagers Lichtenburg und des Verbots der SPD wandte sich der Vorsitzende des
Stiftungsrates der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, Staatssekretär
Rüdiger Erben (SPD), an die in der Kirche des
Schlosses
Lichten burg erschienenen Gäste:
¿Die
Veranstaltung spannt bewusst den Bogen vom Gedenken und Erinnern an das
furchtbare Unrecht, das Menschen hier von anderen Menschen aus politischen,
rassischen und anderen Gründen angetan wurde, bis zu unserer Gegenwart.
Gegenstand dieser Tagung wird aber auch unser zukünftiges Umgehen sowohl mit
dem Erinnern an dieses Unrecht bis zu aktuellem, konkretem politischen Handeln
sein.
Mitte
März 1933, nur zwei Wochen nach der Verabschiedung der ¿Verordnung zum Schutz
von Volk und Staat¿, hatten die Nationalsozialisten allein im Regierungsbezirk
Merseburg 353 Personen in Polizeihaft verbracht. In einem Bericht an das
Innenministerium in Berlin konstatierte der Merseburger Regierungsrat Dr.
Riediger, dass Schwierigkeiten bei der Unterbringung der Gefangenen bestehen
würden. Rund einen Monat später hatte sich die Zahl mit nun 796
Schutzhäftlingen im Regierungsbezirk Merseburg mehr als verdoppelt.
Die
damit einhergehende hoffnungslose Überbelegung der Haft anstalten im Regierungsbezirk
führte letztlich dazu, dass nicht nur Gefängnisse, sondern auch
Polizeiunterkünfte wie in Halle (Saale) die Artillerie-, Reit- und
Rossplatzkaserne als Haftstätten genutzt wurden. Zusätzlich entstanden in
größeren Orten kleine Konzentrationslager. Nach aktuellem Erkenntnisstand
existierten auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt in 16 Städten
mehr
als 20 Haftstätten, in denen politische Häftlinge eingesperrt waren. Doch auch
in Berlin und den anderen Regionen Preußens hatten die Nazis schon kurz nach
ihrer Machtergreifung mehrere Tausend Menschen inhaftiert. Für diese Häftlinge
suchten die braunen Machthaber im Frühjahr 1933 eine neue Unterkunft. Sie
fanden sie im damals ungenutzten Schloss Lichtenburg.
Der
Runderlass II L 34 Nr. 14/33 vom 29. April 1933 bestimmt, in der ehemaligen
Strafanstalt ein Konzentrationslager einzurichten und die Schutzhäftlinge des
Regie rungsbezirks Merseburg dorthin
zu überführen. Am 12. Juni 1933 kamen die ersten Schutzhäftlinge aus dem
Regierungsbezirk Merseburg, um die letzten Arbeiten zur Einrichtung des Lagers
vorzunehmen. Acht Tage später, am 20. Juni 1933 ¿ also heute vor 75 Jahren -,
wurden weitere 450 Männer aus der Region in die Lichtenburg überführt. In
diesen Tagen jährt sich also zum 75. Mal die Errichtung des Konzen trationslagers für Männer in
der Lichtenburg.
In
der Folgezeit kamen die Schutzhäftlinge aus kleineren Sammellagern der Provinz
Sachsen, die man u. a. in Magdeburg, Weißenfels, Gräfenhainichen und Zörbig ein gerichtet hatte und die mit
Errichtung des KZ in der Lichtenburg aufgelöst wurden. So trafen bereits im
August 1933 Häftlinge aus anderen Regionen wie dem aufgelösten KZ Hammerstein
bei Schneidemühl hier ein. Dieser Ort befindet sich heute im nord westlichen Teil Polens.
Die
Bedeutung der Lichtenburg als Konzentrationslager für Preußen zeigt sich beson ders deutlich am Einzugsgebiet.
Die Häftlinge kamen vor allem aus den mittleren und östlichen Provinzen und
vereinzelt aus anderen Ländern des Deutschen Reiches. Mit der Auflösung der
Konzentrationslager in Brandenburg, Sonnenburg und Oranienburg und Überführung
der Häftlinge in die Lichtenburg, wurde das Konzentrationslager Lichtenburg bis
zum Entstehen des Konzentrationslagers Sachsenhausen das für Berlin zuständige
Lager. Regelmäßig kamen nun Häftlinge aus dem Berliner Konzen trationslager Columbia in die
Lichtenburg.
Bis
Ende des Jahres 1933 befanden sich in der Lichtenburg bereits über 2.000 Häft linge. Inhaftiert wurden
zunächst Personen, die der KPD angehörten bzw. mit ihr sympathisierten sowie
führende Mitglieder der SPD, Gewerkschafter und andere, die sich offen gegen
den Nationalsozialismus äußerten.
In
den Anfangsjahren 1933 bis 1935 ist auf Grund der großen Anzahl von führenden
Persönlichkeiten der Weimarer Republik, wie z.B. Abgeordnete von Reichs- bis
Stadt ebene, Polizeibeamte,
Wissenschaftlicher und Künstler, das Konzentrationslager auch als Haftort für
Prominente anzusehen.
Die
Lichtenburg wurde aber nicht nur als Männer-KZ genutzt. Ab 1937 mussten hier
hunderte Frauen Monate und Jahre des Unrechts über sich ergehen lassen. Schließ lich lösten die Nazis im Jahre
1939 das Frauen-KZ Lichtenburg auf und überführten die Opfer in das neu
errichtete KZ Ravensbrück.
Wenn
wir uns heute, 75 Jahre nach diesen Vorgängen, an diesem Ort schwerster
Menschenrechtsverletzungen einfinden, so haben wir zwei Anlässe. Zum Einen
wollen wir der unschuldigen Opfer gedenken, die hier in den Jahren 1933 bis
1939 furcht barste Qualen erlitten. Zum
Anderen werden wir gemeinsam mit dem Blick auf die Geschichte unser Augenmerk
auf die Zukunft der Gedenkstätte Lichtenburg richten.
Denn:
Viel zu lange hat es gedauert, ehe an diesem Ort eine angemessene und wür devolle Gedenk- und
Erinnerungskultur herrscht. Wenn man es genau nimmt, sind wir hier erst am
Anfang dieses Prozesses. Leider hat nach dem Krieg die SED-Führung es versäumt,
hier die notwendigen Rahmenbedingungen für eine derart angemessene Erinnerung
zu schaffen. Der authentische Ort wurde zweckentfremdet genutzt, das Objekt
verkam. Die hier vorgehaltene Ausstellung entsprach in weiten Teilen nicht den
historischen Gegebenheiten, sie war Ausdruck eines eingeschränkten und auf be stimmte Teilaspekte reduzierten
Geschichtsbildes.
Die
friedliche Revolution im Herbst 1989 stellte auch für die Gedenkstätte
Lichtenburg eine Zäsur dar. Eine schwierige und nicht unbedingt geradlinige
Entwicklung für die Einrichtung begann.
Nach
der Wiedervereinigung übernahm der Bund die leer stehende Immobilie des alten
Renaissanceschlosses Lichtenburg in Prettin. Da der Bund für den Schlosskom plex keinerlei Möglichkeiten
der Nutzung fand, versuchte er wiederholt, Interessenten für die Kauf der
Lichtenburg zu finden ¿ jedoch erfolglos. Trotzdem investierte er in den
letzten Jahren mehrere Millionen Euro zur Bestands- und Verkehrssicherung.
Im
Jahre 1993 fällte das Land Sachsen-Anhalt eine Grundsatzentscheidung über sei ne zukünftige
Gedenkstättenpolitik, überführte jedoch die Gedenkstätte Lichtenburg nicht in
seine Trägerschaft. In den folgenden Jahren kam es deshalb zu Protesten von
Seiten der Opferverbände und aus dem regionalpolitischen Raum. Das Land lehnte
die vorgebrachten Forderungen nach einer Übernahme der Trägerschaft zunächst
ab, modifizierte aber seine Position nach und nach.
In
einem vom Land beauftragten Gutachten votierte Prof. Stefanie Endlich im
Februar 2001 für die Einbindung des für die Gedenkstätte unverzichtbaren
Bunkers sowie für die Einrichtung eines Ausstellungs-, Dokumentations- und
Bildungsbereichs im früheren ¿Werkstattgebäude¿.
Nach
langer Diskussion entschieden im Frühjahr 2002 Bund, Land, Landkreis und Stadt
Prettin diesen Vorschlag umzusetzen. Dieses Konzept sieht vor, die Gedenk stätte aus dem Hauptflügel des
Schlosses herauszulösen, damit dessen zukünftige Nutzung vereinfacht wird und
nur die für Gedenkstättenarbeit benötigte Nutzfläche hergerichtet werden muss.
Sämtliche Beteiligten erklärten sich mit dem geplanten Verkauf des
Schlosskomplexes einverstanden, beharrten allerdings darauf, dass die
zukünftige Nutzung in Einklang mit der Gedenkstätte stehen müsse.
Im
Jahr 2004 beschloss der Landkreis, die Gedenkstätte zu schließen. In dieser
außerordentlich schwierigen Situation entschied die Landesregierung von
Sachsen-Anhalt, den Werkstattbereich und den Bunker als Gedenkstätte
Lichtenburg in Lan desträgerschaft zu überführen und sie in die neu zu
schaffende Gedenkstättenstiftung des Landes einzugliedern.
Das
Land Sachsen-Anhalt (Ministerium des Innern) finanzierte außerdem eine von
Studierenden des Instituts für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität
zu Berlin gestaltete Freilichtausstellung im Schlosshof, die am 29. Oktober
2005 feierlich eröffnet wurde.
Die
Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt folgt der Enquete-Kommission des
Deutschen Bundestages ¿Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der
deutschen Einheit¿, die in ihrem am 17. Juni 1998 vorgelegten Abschlussbericht
¿Gedenkstätten an den authentischen Orten, die an die nationalsozialistische
oder kommunistische Diktatur und ihre Opfer erinnern¿, besondere Stützpunkte
der demo kratischen Erinnerungskultur¿
genannt hat (vgl. Bundesdrucksache 13/11000).
Besondere Stützpunkte der demokratischen
Erinnerungskultur: das ist uns Auftrag und unsere Verpflichtung. Deshalb wollen
wir uns heute und morgen mit diesem düsteren Kapitel deutscher Geschichte
beschäftigen, die ¿ wenn Sie so wollen ¿ hier vor Ort heute vor 75 Jahren ihren
Anfang genommen hat. Selbstverständlich haben Sie mehr fach Gelegenheit zu einem geführten
Rundgang.
Ich
freue mich deshalb, dass es den Veranstaltern gelungen ist, ein interessantes
Pro gramm mit ausgewiesenen Wissenschaftlern
vorzubereiten. Heute und morgen sollen zwei Schwerpunkte im Mittelpunkt stehen:
1. Neue Erkenntnisse über die
Geschichte der beiden Konzentrationslager und insbesondere der Opfer werden
vorgestellt.
2. Fragen der Entwicklung der
Gedenkstätten im allgemeinen und des KZ Lichten burg im besonderen sollen
erörtert werden.
Ich
freue mich darüber hinaus, dass Frau Professor Jacobeit diese Veranstaltung zum
Anlass nimmt, um den unter ihrer Leitung erarbeiteten Sammelband zum KZ Lichten burg der Öffentlichkeit zu
präsentieren.
Bleibt
mir Dank zu sagen den Mitarbeitern der Stiftung sowie Frau Welz und Herrn
Kirmse für die Vorbereitung der Veranstaltung sowie der Landeszentrale für
politische Bildung Sachsen-Anhalt für die Unterstützung des heutigen Tages ¿
und der Landes gruppe Sachsen-Anhalt der SPD-Bundestagsfraktion ¿
für die Unterstützung am morgigen Tag.
Ihnen
allen wünsche ich anregende Diskussionen ¿ im Gedenken an die hier verletzten,
gebrochenen, getöteten und widerstehenden Menschen.¿
Impressum:
Verantwortlich: Martin Krems
Pressestelle
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Fax: (0391) 567-5520
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