Gedenken an die Toten des
Kriegsgefangenenlagers XI A Altengrabow
02.05.2008, Magdeburg – 97
- Ministerium für Inneres und Sport
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 097/08
Ministerium des Innern -
Pressemitteilung Nr.: 097/08
Magdeburg, den 2. Mai 2008
Gedenken an die Toten des
Kriegsgefangenenlagers XI A Altengrabow
Sperrfrist: Sonntag, 04. Mai 2008!
Innenstaatssekretär Rüdiger
Erben (SPD) erinnerte am heutigen Sonntag, dem 04. Mai 2008, anlässlich der
Gedenkfeier zur Ehrung der Kriegstoten des Kriegsgefangenenlagers XI A
Altengrabow in seiner Gedenkrede an ein weitgehend unerforschtes Kapitel der
NS-Kriegsgeschichte:
¿Wir haben uns heute hier in Altengrabow an einem Ort zusammen gefunden, der
aufgrund der vielfachen Menschenrechtsverletzungen eine besondere Bedeutung erlangt
hat. Bereits kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs entstand außerhalb der
Lagergrenze in Richtung Dörnitz das Kriegsgefangenlager Altengrabow.
Etwa 12.000 Gefangene vieler Nationalitäten waren hier bis zur Auflösung des
Gefangenenlagers 1919 untergebracht. Auf dem jetzigen Truppenübungsplatz
Altengrabow befand sich dann während des 2. Weltkrieges das
Kriegsgefangenenlager Stalag XI A, in dem bis zu 70.000 Kriegsgefangene aus
vielen Nationen inhaftiert waren.
Das Kürzel Stalag steht für ¿Mannschaftsstamm und Straflager¿ und beschreibt
ein Stammlager zur Unterbringung von Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges.
Die Stammlager dienten als Durchgangsstationen für Kriegsgefangene zum
Arbeitseinsatz in der Kriegswirtschaft, in Außenkommandos, Zechen und
industriellen Betrieben aller Art.
Das Stalag XI A in Altengrabow war das erste Stammlager im Wehrkreis Hannover.
Daneben gab es weitere bekannte Stalags wie Fallingbostel, Bergen-Belsen und
0erke.
Das Kriegsgefangenenwesen, welches durch Heeresvorschriften den Bau von
Stammlagern und die Unterbringung der Häftlinge von der Gefangenschaft bis zur
Entlassung regelte, unterstand mit Kriegsbeginn am 1. September 1939 bis zum 1.
Oktober 1944 dem Oberkommando der Wehrmacht.
Am 1. Januar 1945 befanden sich im Stalag XI A mehr als 60.000 Kriegsgefangene
verschiedener Nationen. Es waren Franzosen, Engländer, Belgier, Serben, Russen,
Italiener, Amerikaner, Holländer, Slowaken und polnische Teilnehmer des
Warschauer Aufstands von 1944, die in Altengrabow und in Fallingbostel
inhaftiert worden waren.
Das ¿Leben¿ im Stalag XI A Altengrabow muss für die meisten Gefangenen
unerträglich gewesen sein, besonders drastisch stellte sich die Situation für
Gefangene der ¿Roten Armee¿ dar. Die Stammlager in Altengrabow und
Fallingbostel waren die ersten Kriegsgefangenenlager, die auf der Grundlage von
Einsatzbefehlen über ¿untragbare Rotarmisten¿ eingerichtet worden sind. Die
ersten sowjetischen Kriegsgefangenen trafen im Spätherbst 1941 in Altengrabow
ein. Diese Gefangenen sind sofort von den Kriegsgefangenen anderer Nationen
getrennt untergebracht worden. Entsprechend der Einsatzbefehle erfolgte die
¿Aussonderung¿ ¿untragbarer Rotarmisten¿ durch die Geheime Staatspolizei. Was
bedeutete diese ¿Aussonderung¿ für ¿untragbare Rotarmisten¿? Der Einsatzbefehl
legte ihr weiteres Schicksal fest: ¿Exekution nicht im Lager oder in der Nähe¿.
Nach bisherigem Stand der Forschung müssen wir davon ausgehen, dass ¿ausgesonderte¿
Rotarmisten über das KZ Mauthausen in das KZ Sachsenhausen verbracht worden
sind.
Wie gingen die Aussonderungen in Altengrabow vor sich? Hierzu existiert der
Erinnerungsbericht eines Beteiligten, dessen Name nur mit Kommandoangehöriger
¿Sch¿ dokumentiert ist.
Ich zitiere: ¿Russische Kriegsgefangene aus dem Lager wurden an uns
vorbeigeführt und zu bereits wartenden Pferdefuhrwerken gebracht, mit denen sie
zur Arbeit in der Landwirtschaft abtransportiert wurden. Aus diesen
vorbeimarschierenden Russen sollten wir nun die Kommissare herausfinden.¿
Die ¿Ausgesonderten¿ kamen in einen Sonderpferch innerhalb des ¿Russenlagers¿.
Danach wurden sie mit sog. ¿unbekanntem¿ Ziel in Richtung Bahnhof abtransportiert.
Über die Opfer unter den Rotarmisten liegen keine Zahlen vor.
Auf dem Gelände des heutigen Truppenübungsplatzes in Altengrabow sind infolge
der unmenschlichen Haftbedingungen viele Kriegsgefangene verstorben und an
bisher nicht bekannten Orten beigesetzt. Auf Grund mehrerer Suchgrabungen und
Hinweisen von Zeitzeugen konnten lediglich die Gräber der italienischen
Kriegsgefangenen gefunden werden. Die sterblichen Überreste wurden auf Wunsch
des Italienischen Verteidigungsministeriums in die Heimat überführt.
Der ¿Förderverein Gedenkstätte Kriegsgefangenenlager und Sammlung Truppenübungsplatz
Altengrabow¿ widmet sich der Erforschung der historischen Ereignisse und setzt
sich seit 2006 u. a. vor Ort für die Errichtung eines ¿Gedenkortes¿ für hier
verstorbenen Kriegsgefangenen ein. Dies war bisher nicht möglich, da bis 1994
auf dem Gelände russische Truppen stationiert waren.
Es ist davon auszugehen, dass bisher nur ein Bruchteil der Ereignisse, der
Schicksale und des Leidens aller Inhaftierten bekannt ist. Ich halte es deshalb
für unsere gemeinsame Aufgabe, dass die Ereignisse im Kriegsgefangenlager
Altengrabow erforscht, der Öffentlichkeit präsentiert und in die Gedenkkultur
unseres Landes eingeführt werden. Ich hoffe, dass Altengrabow kein weißer Fleck
in der Vergangenheitsaufarbeitung Sachsen-Anhalts und Deutschlands bleibt.¿
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