Innenminister Hövelmann bei der Gedenkstunde
in Dessau-Roßlau: ?Das Gedenken wachhalten ? Sachsen-Anhalt weltoffener machen?
11.06.2010, Magdeburg – 69
- Ministerium für Inneres und Sport
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 069/10
Ministerium des Innern -
Pressemitteilung Nr.: 069/10
Magdeburg, den 11. Juni 2010
Innenminister Hövelmann bei der Gedenkstunde
in Dessau-Roßlau: ¿Das Gedenken wachhalten ¿ Sachsen-Anhalt weltoffener machen¿
Bei
der Gedenkstunde für Alberto Adriano erklärte Innenminister Holger Hövelmann
(SPD) heute in Dessau-Roßlau:
¿Heute vor zehn Jahren wurde Alberto Adriano ermordet. Auf dem Heimweg von
einer Feier wurde er im Stadtpark von Dessau feige überfallen und kam nie mehr
bei seiner Frau und seinen drei kleinen Kindern an.
Zehn Jahre nach dieser abscheulichen Tat müssen wir uns mit der Frage
auseinandersetzen, welche Aufgaben sich für uns ¿ für die Zivilgesellschaft und
für die Politik ¿ heute stellen.
Die erste
Aufgabe ist, Trauer und Erinnerung wachzuhalten.
Ich bin sehr froh darüber, welch breites Bündnis heute
zusammenwirkt, um an den Menschen Alberto Adriano ebenso zu erinnern wie an das
Verbrechen, das an ihm begangen wurde, und um über die Folgen dieser Tat für
unsere Gesellschaft zu diskutieren. Wie man sich über politische und andere
Grenzen hinweg zusammenschließt, um gemeinsam gegen Rechtsextremismus und
Ausländerhass einzustehen, das haben wir uns in Dessau-Roßlau und in
Sachsen-Anhalt erst in den letzten Jahren hart erarbeitet. Das Erschrecken über
den Mord hier im Stadtpark hat dazu beigetragen.
Die
zweite Aufgabe ist, die Verantwortlichen klar zu benennen.
Der
Mord geschah nicht aus dem Nichts. Die Täter hatten einen Hintergrund und eine
ideologische Motivation. Ich wiederhole, was ich hier vor zwei Jahren gesagt
habe: Mord ist für Nazis kein Betriebsunfall. Er ist die finale Logik ihres
Rassenwahns.
Die rassistischen Feindbilder, die die Mörder im Kopf hatten, als sie auf
Alberto Adriano einschlugen und eintraten, die sind in den Köpfen von
Rechtsextremisten überall präsent. Die Feindbilder sind nicht immer die
gleichen, aber immer gleich menschenverachtend. Sie treffen Schwarze,
Vietnamesen, Juden, Muslime, Behinderte, Andersdenkende ¿ die Liste ihrer
Hassobjekte wird immer länger.
Und diese Feindbilder stecken auch in den Köpfen der NPD-Funktionäre, die im
nächsten Frühjahr in den Landtag von Sachsen-Anhalt einziehen wollen. Wir
müssen sie stoppen.
Die
dritte Aufgabe ist, unser Land zu öffnen.
Ein weltoffenes Sachsen-Anhalt ¿ dafür machen wir uns seit Jahren
stark. Wer das will, der darf die Welt nicht nur im übertragenen Sinne
hereinlassen, nicht nur auf kulturelle Impulse und kulinarische Akzente hoffen.
Das Land muss auch offen stehen für Menschen .
Alberto Adriano war seit 1988 in Deutschland, er arbeitete hier und ernährte
seine Familie durch seinen Beruf. Deutschland und Sachsen-Anhalt brauchen viele
Alberto Adrianos. Unser Land wird nicht nur ärmer durch Menschen, die wir durch
Rassenhass verlieren. Es wird auch ärmer ¿ im wahrsten Sinne des Wortes ¿,
durch Menschen, die wir mit einer restriktiven Zuwanderungspolitik aussperren.
Es ist Zeit für eine Zuwanderungspolitik, die Migrantinnen und Migranten neue
Chancen eröffnet und zugleich unser Land wirtschaftlich stärkt. Was wir nicht
zulassen dürfen, ist, dass sich Neonazis in dem Glauben wähnen können, sie
seien die Vollstrecker des heimlichen Willens der Mehrheitsgesellschaft.
Die
vierte Aufgabe ist, Dessau-Roßlau zu einer Stadt zu machen, in der Deutsche und
Migrantinnen und Migranten vertrauensvoll zusammenleben.
Machen wir uns nichts vor: Dessau-Roßlau steht, gerade außerhalb
Sachsen-Anhalts, in dem Ruf, für Migrantinnen und Migranten kein guter Ort zu
sein. Ausgerechnet der Stadt Sachsen-Anhalts mit dem größten Bestand an
Weltkulturerbe wird fehlende Weltoffenheit nachgesagt.
Es nützt nichts, diesen Ruf zu beklagen. Wir müssen die Wirklichkeit des
Zusammenlebens verändern.
In diesem Zusammenhang können wir über die Trauer um Alberto Adriano nicht
sprechen, ohne auch die Trauer um Oury Jalloh ins Gedächtnis zu rufen. Denn die
Polizei, die die Mörder Alberto Adrianos dingfest gemacht und für ihre
Verurteilung gesorgt hat, hat durch den Tod Oury Jallohs in Polizeigewahrsam
Vertrauen bei der afrikanischen Community in Dessau-Roßlau verloren ¿ und das ist
nur zu verständlich. Deshalb bin ich froh über die Anstrengungen der
Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost und des Polizeireviers Dessau-Roßlau,
Schritt für Schritt einen Gesprächsfaden aufzubauen, der hoffentlich nicht mehr
reißen kann. Es muss klar werden: Polizei schützt alle Bürgerinnen und Bürger
vor Gewalt und anderen Verbrechen. Nur auf dieser Grundlage kann verlorenes
Vertrauen wiedergewonnen werden.
Die
fünfte Aufgabe ist, Ungleichheit abzubauen.
Wenn wir wollen, dass alle Menschen die gleiche Achtung genießen,
dann müssen wir sie auch gleich behandeln.
Deshalb darf es keine
Diskriminierung nach Herkunft, Hautfarbe oder Religion geben, nicht bei der
Arbeitsplatzsuche, nicht auf Behörden und nicht im zwischenmenschlichen Umgang.
Deshalb ist es richtig, auch
Menschen ohne Aufenthaltstitel den Zugang zu medizinischer Versorgung zu
ermöglichen und den Kindern solcher Migrantinnen und Migranten den Schulbesuch
ermöglichen, ohne dass die Eltern dadurch Nachteile erleiden.
Und deshalb wäre es der richtige Schritt, allen Ausländerinnen und Ausländern
das kommunale Wahlrecht zu geben. Es gibt keinen Grund, dass Slowenen als
EU-Bürger den Stadtrat mitwählen dürfen, Kroaten aber nicht ¿ oder
Mosambikaner.
Wir wollen dem Mord an Alberto Adriano nicht im Nachhinein einen scheinbaren
Sinn verleihen. Sein Tod ist so sinnlos und deprimierend wie das ganze Weltbild
der Neonazis, deren Opfer Alberto Adriano wurde. Aber wir sollten der Trauer um
den Dessauer Bürger Alberto Adriano eine politische Richtung und
gesellschaftliche Wirkung verleihen.
Zehn Jahre nach der Tat hat sich einiges verändert. Das Bewusstsein für die
Bedrohung von rechts ist ebenso gewachsen wie die Bereitschaft zu
gesellschaftlicher Gegenwehr. Aber wir müssen noch sehr viel mehr leisten,
damit Migrantinnen und Migranten aus Mosambik und aus aller Welt sich in
Dessau-Roßlau und in ganz Sachsen-Anhalt erwünscht, gleichberechtigt und zu
Hause fühlen können.¿
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