Es gilt das gesprochene Wort!
07.10.2010, Magdeburg – 144
- Ministerium für Inneres und Sport
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 144/10
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 144/10
Magdeburg, den 7. Oktober 2010
Es gilt das gesprochene Wort!
Innenminister zur Zukunft des
Glückspielrechts in Sachsen-Anhalt: ¿Über die Folgen des Monopol ¿ sowie Lizensmodells
muss man sich im Klaren sein.¿
Innenminister
Holger Hövelmann (SPD) erklärte auf der heutigen Landtagssitzung zum Antrag der
FDP-Landtagsfraktion zur Zukunft des Glücksspielrechts in Sachsen-Anhalt:
¿Der Antrag der FDP greift ein Thema auf, das
nicht zuletzt durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 8. September 2010 in den
Vordergrund der öffentlichen Diskussion gerückt ist. Ich erlaube mir daher
zunächst, zu diesen Entscheidungen Folgendes klarzustellen:
Die in der Presse vielfach getätigte Aussage ¿Das Glücksspielmonopol ist
gekippt¿, die auch in dem hier vorliegenden Antrag der FDP zum Ausdruck kommt,
trifft nicht zu. Er entspringt wohl eher dem Wunschdenken einer ¿zugegebenermaßen
finanzstarken und einflussreichen ¿ Lobby. Jeder, der die Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofes sorgfältig gelesen hat, wird das feststellen können.
Er bestätigt in seinen Urteilen nämlich erneut, dass ein Mitgliedsstaat ein
Monopolsystem auf Sportwetten und Lotterien einem Erlaubnissystem für private
Veranstalter vorziehen kann. Allerdings muss dies dem Erfordernis der
Verhältnismäßigkeit genügen. Dies ist nach Auffassung des Gerichts der Fall,
wenn die Errichtung des Monopols mit der Einführung eines normativen Rahmens
einhergeht, der dafür sorgt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der
Lage ist, das Ziel - hohes Verbraucherschutzniveau, Suchtprävention - mit einem
Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ
ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in
kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen.
Weiterhin darf in der Diskussion nicht außer Acht gelassen werden, dass
Grundlage der Entscheidungen des EuGH Feststellungen der vorlegenden Gerichte
(VG Schleswig-Holstein, VG Gießen, VG Stuttgart und VG Köln) sind, die zum
Zeitpunkt der Entscheidungen teilweise bereits überholt waren.
Zu den Feststellungen eines nationalen Gerichts führt der EuGH aus:
Bleiben ¿ erstens - Werbemaßnahmen
des Monopolinhabers nicht auf das begrenzt, was erforderlich ist, um
Verbraucher auf legale Angebote hinzuweisen, sondern zielen sie darauf ab, den
Spieltrieb der Bevölkerung zu fördern und zwecks Maximierung der Einnahmen zur
Spielteilnahme zu stimulieren,
und dürfen ¿ zweitens - Glücksspiele
von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden,
und wird ¿ drittens - in Bezug auf
Glücksspiele, die nicht unter das Monopol fallen und ein höheres Suchtpotential
aufweisen, von den zuständigen Behörden eine Politik zur Entwicklung und Stimulation
der Spieltätigkeit betrieben oder geduldet, um Einnahmen zu maximieren,
dann kann dieses Gericht
berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben, dass ein solches Monopol
nicht geeignet ist, die Erreichung der mit Errichtung des Monopols verfolgten
Ziele - Vermeidung von Spielausgaben, Bekämpfung der Spielsucht - zu gewährleisten.
Denn es trägt dann nicht dazu bei, Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und
die Tätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.
Mit anderen Worten: der Europäische Gerichtshof hat zu den Feststellungen der
vorlegenden Gerichte eine sehr vorsichtig formulierte mögliche Auslegungshilfe
gegeben.
Was bedeuten die EuGH - Entscheidungen nun für den Glücksspielstaatsvertrag und
das Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt?
Die Entscheidungen haben keine unmittelbaren Auswirkungen auf diese
Vorschriften, die deshalb auch weiterhin anzuwenden sind. Die Gerichte werden
allerdings unter Berücksichtigung der Ausführungen des EuGH in den bei ihnen
anhängigen Verfahren zu entscheiden haben, ob der Glücksspielstaatsvertrag und
die jeweiligen Landesgesetze den unionsrechtlichen Anforderungen genügen. Es
kommt also entscheidend darauf an, welche Feststellungen die Gerichte bei ihren
Entscheidungen zugrunde legen. Das kann z. B. auch bedeuten, dass Gerichte
feststellen, die glücksspielrechtlichen Regelungen sind europarechtskonform.
In diesem Zusammenhang wird der noch in diesem Jahr zu erwartende Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts in den bayrischen glücksspielrechtlichen
Revisionsverfahren eine zentrale Bedeutung zukommen. Beim Bundesverwaltungsgericht
ist im Übrigen auch ein Revisionsverfahren aus Sachsen-Anhalt anhängig.
Gleichwohl zeigen die Betrachtungen des EuGH, dass es Handlungsbedarf gibt. Im
Gegensatz zu den deutschen Obergerichten hat der EuGH nämlich keine sektorale
Betrachtung - nur Sportwetten und Lotterien - angestellt, sondern - was
vernünftig ist - bezieht den gesamten Glücksspielbereich ein. Daher sind auch
das gewerbliche Spiel und die Pferdewetten zu untersuchen.
Im Hinblick auf das gewerbliche Spiel, das nach dem Stand der derzeitigen
Forschung eine wesentliche höhere Suchtrelevanz aufweist als andere
Glücksspiele, sind gesetzgeberische Maßnahmen unumgänglich, sei es von Seiten
des Bundes mit einer Anpassung der Spielverordnung und/oder von den Ländern
durch Ausnutzung ihrer Gesetzgebungskompetenzen im Recht der Spielhallen.
Die Länder befassen sich bereits seit einiger Zeit mit den Zukunftsperspektiven
des Glücksspielwesens. Die CdS-Konferenz hat daher in ihrer Sitzung am 16./17.
September 2010 einer Arbeitsgruppe auf der Ebene der Staatskanzleien der Länder
den Auftrag erteilt, bis zur Ministerpräsidentenkonferenz am 20. ¿ 22. Oktober
2010 ein Modell zur Weiterentwicklung des Monopols bei Sportwetten und
Lotterien und eine Variante zur konzessionierten Öffnung des
Sportwettenangebotes unter Beibehaltung des Lotteriemonopols zu prüfen und
dabei die Rechtsprechung des BVerfG und des EuGH zu berücksichtigen. Ich darf
Ihnen versichern, dass beide Modelle ernsthaft geprüft werden. Ich kann Ihnen
auch versichern, dass die Länder durchaus am staatlichen Lotteriemonopol
festhalten wollen und hinsichtlich der Zukunft des Glücksspielwesens ein
einheitliches Vorgehen anstreben.
Allerdings will ich Ihnen an dieser Stelle nicht verhehlen, dass eine Öffnung
des Sportwettenmarktes unter Beibehaltung des Lotteriemonopols im Hinblick auf
das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG auch mit verfassungsrechtlichen
Risiken verbunden ist. Ob für ein Lotteriemonopol noch eine Rechtfertigung
vorliegt, wenn ein Normgesetzgeber die zuvor für das Sportwettenmonopol ausschlaggebenden
suchtpräventiven Gründe als nicht mehr erforderlich ansieht, sie jedoch für das
Lotteriemonopol beibehält, ist mehr als fraglich.
Schließlich ist auch die steuer- und abgabenrechtliche Seite eines
Liberalisierungsmodells noch nicht abschließend geklärt. Ob und in welchem
Umfang eine steuer- bzw. abgabenrechtliche Veranlagung, insbesondere von
ausländischen Anbietern, zulässig ist, sollte rechtssicher feststehen, ehe eine
grundsätzliche Entscheidung getroffen wird. Darüber hinaus ist zu
berücksichtigen, dass im Falle einer Teilliberalisierung die bisherige Grundlage für die hohen Abgaben, das
Alleinstellungsmerkmal ¿Monopol¿ der staatlichen Anbieter, entfiele. Die Auswirkungen
auf die gesamte Finanzierung öffentlicher oder gemeinnütziger, kirchlicher oder
mildtätiger Zwecke und die zweckgebundene
Finanzierung für Sport, Kultur sowie Soziales müssen genau betrachtet werden.
Der Antrag
der FDP zielt darauf ab, bereits jetzt eine Bindung des Landtages auf das
Modell einer Teilliberalisierung zu erreichen. Ich werbe ausdrücklich dafür,
sich zunächst alle rechtlichen und tatsächlichen Vor- und Nachteile der beiden
Modelle sowie die damit verbunden Risiken zu vergegenwärtigen und zu
diskutieren. Für eine sachgerechte Entscheidung ist es auch zwingend geboten,
sich über alle Folgen, die die jeweiligen Modelle nach sich ziehen, im Klaren
zu sein. Diesem Prozess sollte nicht durch die von der FDP gewünschte
Beschlussfassung in der heutigen Sitzung vorgegriffen werden.
Ich bitte Sie daher, dem Antrag der FDP nicht zuzustimmen.¿
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