Verfassungsschutzbericht 2010
vorgestellt
14.07.2011, Magdeburg – 91
- Ministerium für Inneres und Sport
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 091/11
Ministerium des Innern -
Pressemitteilung Nr.: 091/11
Magdeburg, den 13. Juli 2011
Verfassungsschutzbericht 2010
vorgestellt
Innenminister Holger
Stahlknecht und der Leiter des Verfassungsschutzes, Volker Limburg, haben heute
den Verfassungsschutzbericht 2010 des Landes Sachsen-Anhalt vorgestellt. Der
Bericht beschreibt die wesentlichen Entwicklungen in den Bereichen des
politischen Extremismus. Er stellt darüber hinaus die weiteren Arbeitsfelder
der Verfassungsschutzbehörde sowie die rechtlichen Grundlagen ihrer Arbeit dar.
Die
wichtigsten Themenbereiche im Einzelnen:
I. Rechtsextremismus
Das rechtsextremistische Personenpotenzial blieb in Sachsen-Anhalt im
Vergleich zu den Vorjahren nahezu unverändert. Allerdings haben sich innerhalb
des rechtsextremistischen Gefüges erneut Verschiebungen ergeben.
Rechtsextremisten[1]
2009
2010
Parteien
und Vereinigungen
270
300
Neonazis
230
240
Gewaltbereite
Rechtsextremisten
850
800
Sonstige
Personenzusammenschlüsse
30
50
Gesamt:
1.380[2]
1.390[3]
Den größten Anteil an der Gesamtzahl von 1.390 Rechtsextremisten bildet mit 800
Personen das gewaltbereite, subkulturell geprägte Spektrum. Nach einem leichten
Anwachsen dieses Potenzials im Vorjahr wurde damit wieder das Niveau des Jahres
2008 erreicht.
Der Neonaziszene gehören in Sachsen-Anhalt etwa 240 Rechtsextremisten (Vorjahr:
230) an. Ihr sind auch die etwa 50 Mitglieder der NPD-Jugendorganisation ¿Junge
Nationaldemokraten¿ (JN) zuzurechnen.
Den in Sachsen-Anhalt existenten rechtsextremistischen Parteien und
Vereinigungen gehörten im Berichtsjahr rund 300 Personen (Vorjahr: 270) an,
davon waren allein 250 Personen ¿ und damit 20 mehr als noch 2009 ¿ im
Landesverband Sachsen-Anhalt der ¿Nationaldemokratischen Partei Deutschlands¿
(NPD) organisiert. Diese leichte Erhöhung resultiert letztlich aus der im
Berichtsjahr begonnenen, umfangreichen NPD-Werbekampagne für deren Antritt zur
Landtagswahl 2011 in Sachsen-Anhalt.
Im Jahr 2010 wurden im Land Sachsen-Anhalt 1.176 politisch motivierte
Straftaten -rechts- gezählt, das sind knapp 26 Prozent weniger als im Vorjahr
(1.584). Bei etwa 76 Prozent der Straftaten handelt es sich um so genannte
Propagandadelikte, also um das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen nach § 86a Strafgesetzbuch (StGB).
Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten ging von 83 auf 80 leicht
zurück.[4]
Im Berichtsjahr gab es deutlich weniger rechtsextremistische Musikveranstaltungen
als im Vorjahr.
Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes wurden in Sachsen-Anhalt 2010 sieben
Konzerte (2009: 16) durchgeführt. Es handelt sich um die geringste Anzahl
durchgeführter Konzerte seit dem Höchststand im Jahr 2003 (23).
Mit acht (2009: neun) Liederabenden blieb deren Anzahl nahezu konstant.
Ein leichter Anstieg ist im Bereich sonstiger rechtsextremistischer
Veranstaltungen mit Musikdarbietungen festzustellen. Hiervon gab es 2010
insgesamt fünf (2009: drei).
In Sachsen-Anhalt boten im Berichtszeitraum acht (Vorjahr: sechs)
Online-Vertriebe ihre rechtsextremistischen Szeneutensilien zum Kauf an.[5]
Vier Internetseiten werden von ein und demselben Händler betrieben. Einem der
genannten Vertriebe ist ein Szeneladen angeschlossen, der als beliebter
Treffort von Rechtsextremisten gilt.
Rechtsextremisten nutzten erneut allgemeine Gedenktage wie den 1. Mai, den 8.
Mai, den 17. Juni und den Volkstrauertag sowie die Jahrestage von Bombardements
deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg, um diese im Sinne ihrer Propaganda
umzudeuten und entsprechende Veranstaltungen durchzuführen. Sie entfalteten
darüber hinaus wie in den Vorjahren Aktivitäten zu Geburts- und Todestagen von
Nationalsozialisten.
II.
Linksextremismus
Das linksextremistische
Personenpotenzial nahm in Sachsen-Anhalt im Vergleich zum Vorjahr um 30
Personen ab und umfasste im Berichtsjahr insgesamt 480 Personen.
Linksextremisten[6]
2009
2010
Autonome
240
220
Parteien
und Vereinigungen
270
260
Gesamt:
510
480
Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt registrierte für das Berichtsjahr 262 politisch
motivierte Straftaten -links-. Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr (336
Delikte) eine Abnahme um 22 Prozent.[7] Im selben
Zeitraum ging der Anteil der entsprechend politisch motivierten Gewalttaten um
7 Prozent zurück (2010: 55 Delikte, 2009: 59 Delikte).[8]
Schwerpunktregion der etwa 220 Personen umfassenden Autonomenszene in Sachsen-Anhalt
ist nach wie vor die Landeshauptstadt Magdeburg. Hauptaktionsfeld autonomer
Zusammenschlüsse blieb auch im Berichtszeitraum der so genannte Antifaschismus.
Eine wichtige Rolle spielen aber auch der Widerstand gegen den vermeintlich
repressiven Staat und die vermeintliche Militarisierung der Gesellschaft.
Als Ziele körperlicher Gewalt stehen vor allem Rechtsextremisten im Fokus.
Gleichzeitig sank die Hemmschwelle für gewalttätige Angriffe auf Polizisten,
die Autonomen als Vertreter des ¿Repressionsapparates¿ gelten.
Im Bereich der linksextremistischen Parteien und sonstigen Gruppierungen waren
in Sachsen-Anhalt im Berichtszeitraum die ¿Marxistisch-Leninistische Partei
Deutschlands¿ (MLPD), die ¿Deutsche Kommunistische Partei¿ (DKP), die
¿Kommunistische Partei Deutschlands¿ (KPD/Ost) und die ¿Kommunistische Partei
Deutschlands/Marxisten-Leninisten¿ (KPD/ML) mit eigenen Strukturen aktiv. Sie
alle setzen weiter auf traditionelle Konzepte eines langfristig betriebenen
Klassenkampfes. Ihre Vertreter versuchen nach wie vor, sich in
gesellschaftliche Protestkampagnen einzubringen.
III.
Sicherheitsgefährdende und
extremistische Bestrebungen von Ausländern
Im Rahmen der Beobachtung sicherheitsgefährdender und extremistischer Bestrebungen
von Ausländern kommt dem Komplex der Bedrohung durch den internationalen
islamistischen Terrorismus besondere Bedeutung zu. Die Bundesrepublik Deutschland
ist als Teil des weltweiten Gefahrenraumes anzusehen und liegt im unmittelbaren
Zielspektrum terroristischer Gruppierungen.
Aufgrund ernstzunehmender, etwa ab Mitte des Berichtsjahres bei den
Sicherheitsbehörden eingegangener, sich nach und nach verdichtender Hinweise
war schließlich erstmals von einer intensivierten und hohen abstrakten
Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus auch für Deutschland
auszugehen.
Die Sicherheitsbehörden reagierten darauf mit der Umsetzung eines umfangreichen
Maßnahmenkonzeptes.
In Sachsen-Anhalt wurden keine festgefügten Strukturen islamistischer
Organisationen bekannt. Jedoch gab es zunehmend Hinweise auf Personen, die in
Sachsen-Anhalt wohnen, aber islamistischen Gruppierungen in anderen
Bundesländern zuzurechnen sind.
Von den nichtislamistischen Organisationen, die sicherheitsgefährdende und
extremistische Bestrebungen entfalten, war im Berichtsjahr in Sachsen-Anhalt
lediglich die ¿Arbeiterpartei Kurdistans¿ (PKK) mit eigenen Organisationsstrukturen
aktiv.
IV.
Spionageabwehr
Auch 2010 setzten
Nachrichtendienste fremder Staaten ihre Aktivitäten in der Bundesrepublik
Deutschland in unvermindertem Umfang fort.
Straf- und Gewalttatenstatistik[9]
Bei den
statistischen Angaben zu den Straf- und Gewalttaten handelt es sich um Zahlen,
die dem Landeskriminalamt im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes ¿Politisch
motivierte Kriminalität¿ zu übermitteln sind.
Dieser Meldedienst beruht auf einem bundesweit einheitlichen Definitionssystem,
das die Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder
(IMK) am 10. Mai 2001 beschlossen und rückwirkend zum 1. Januar 2001 eingeführt
hat. Danach werden Straftaten nach einem einheitlichen Kriterienkatalog erfasst
und einem Phänomenbereich (im Wesentlichen Politisch motivierte Kriminalität
-links-, Politisch motivierte
Kriminalität -rechts-, Politisch motivierte Ausländerkriminalität) zugeordnet.
Zentrales Erfassungskriterium ist die politisch motivierte Tat.
Der extremistischen Kriminalität ¿ als Teilmenge der politisch
motivierten Kriminalität ¿ werden Straftaten zugerechnet, bei denen
tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung gerichtet sind, das heißt darauf, fundamentale Verfassungsgrundsätze
zu beseitigen oder außer Kraft zu setzen. Ebenso hinzugerechnet werden
Straftaten, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen
auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder sich gegen die
Völkerverständigung richten.
In Sachsen-Anhalt wurden im Berichtsjahr in
den Phänomenbereichen Politisch motivierte Kriminalität -links-, Politisch
motivierte Kriminalität -rechts- und Politisch motivierte Ausländerkriminalität
insgesamt 1.445[10]
(Vorjahr: 1.925) Straftaten registriert.
Politisch motivierte
Straftaten
nach Phänomenbereich
2009
2010
-rechts-
1.584
1.176
-links-
336
262
Ausländerkriminalität
5
7
Davon waren:
Extremistische Straftaten
nach Phänomenbereich
2009
2010
-rechts-
1.431
1.106
-links-
37
64
Ausländerkriminalität
1
4
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