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Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky
zum Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung der ?Stiftung Gedenkstätten
Sachsen-Anhalt? (Gedenkstättenstiftungsgesetz ? GedenkStiftG LSA), LT-Drs.
4/2552

20.01.2006, Magdeburg – 16

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

 

 

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 016/06

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ministerium des Innern -

Pressemitteilung Nr.: 016/06

 

 

 

Magdeburg, den 20. Januar 2006

 

 

 

 

 

Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky

zum Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung der ¿Stiftung Gedenkstätten

Sachsen-Anhalt¿ (Gedenkstättenstiftungsgesetz ¿ GedenkStiftG LSA), LT-Drs.

4/2552

 

TOP 10 der

Landtagssitzung am 19./20. Januar 2006

 

Anrede,

 

am

12. November 2004 hat die Landesregierung vor diesem hohen Hause

angekündigt, dass die Landesregierung beab­sichtige, die landeseigenen

Gedenkstätten für die Opfer von Gewaltherrschaft in eine Stiftung des

öffentlichen Rechts zu überführen. Diese Ankündigung ist damals von allen

Parteien mit Zustimmung aufgenommen worden. Dieses einhellige Vo­tum hat die

Landesregierung in der Auffassung bestärkt, dass dieser Schritt richtig und

notwendig ist. Mehrere andere Bun­desländer sind diesen Schritt bereits

gegangen. In Brandenburg und Thüringen kann man schon auf eine mehr als

zehnjährige Erfahrung zurückblicken.

 

Der

Ihnen jetzt vorliegende Gesetzentwurf orientiert sich in sei­nen Grundzügen auch

an den Gedenkstättenstiftungsgesetzen dieser Länder.

 

Das

Ziel dieses Gesetzentwurfes ist wie folgt zu beschreiben:

 

Die

¿Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt¿ soll die gesamte Erinnerungs-,

Bildungs- und Forschungsarbeit der Gedenkstät­ten für die Opfer von

Gewaltherrschaft verantworten, die zahlrei­chen Kontakte zu den Opfern und

ihren Organisationen pflegen und nicht zuletzt die historischen Orte der

Menschenrechtsver­letzungen unterhalten.

 

Wenn

das Land für die landeseigenen Gedenkstätten die Errichtung einer Stiftung

beabsichtigt, so bedeutet dies jedoch nicht, dass es sich aus der Verantwortung

für unsere gemeinsame Geschichte zurückziehen und diese Dritten auferlegen

möchte. Im Gegenteil, ich möchte ausdrücklich betonen, dass die Bewahrung der Erinnerung

an die Menschenrechtsverletzungen der Nationalsozialisten, aber auch in der

Zeit der Sowjetischen Militärtribunale bzw. der SED-Herrschaft, eine

gesamtgesellschaft­liche Aufgabe ist und bleiben wird. Dieser Verantwortung

können Staat und Gesell­schaft nur gemeinsam gerecht werden. In Kenntnis dieses

unlösbaren Zusammen­hanges hat sich die Landesregierung entschlossen, der

künftigen Stiftung die Rechtsform einer Stiftung des öffentlichen Rechts zu

geben. Als Stiftung des öffent­lichen Rechts bleibt die Stiftung dem Land

weiterhin eng verbunden. Das Land wird über einen jährlichen finanziellen

Zuschuss sicherstellen, dass die Stiftung ihre Aufgaben auch erfüllen kann.

Gleichzeitig wird das Land durch seine Vertretung in den Stiftungsgremien sei­nen

eigenen Beitrag zu einer positiven Entwicklung der Stiftung leisten und

Einfluss auf wesentliche Entscheidungen der Stiftung haben.

 

Anrede,

 

diese

Rechtsform hat sich in Brandenburg, Sachsen, Thüringen, Bayern und Nieder­sachsen

bewährt. Für

sie spricht auch, dass eine Stiftung über eine höhere Effizienz bei der

Beschaffung von zusätzlichen Finanzmitteln verfügt. Überdies eröffnet die

Errichtung der Stiftung die Möglichkeit, dass sich der Bund an der Stiftung

finanziell beteiligt. Verhandlungen hierüber sind bereits aufgenommen worden.

 

In

die ¿Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt¿ sollen folgende in Landesträger­schaft

befindliche Gedenkstätten überführt werden:

 

¿

die Gedenkstätte für die Opfer der NS-¿Euthanasie¿

Bernburg

 

¿

die Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge

 

¿

die Gedenkstätte ¿Roter Ochse¿ Halle (S.)

 

¿

die Gedenkstätte Moritzplatz Magdeburg

 

¿

die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn.

 

Die

Gedenkstätten Moritzplatz Magdeburg und Langenstein-Zwieberge befinden sich

gegenwärtig auf der Grundlage von Verwaltungsvereinbarungen aus dem Jahre 1994

in der Verwaltung der Kommunen. Das Land hat diese Vereinbarungen frist­gemäß

zum Ablauf des 31. Dezember 2006 gekündigt.

 

Zur

Deckung der Kosten für den Erhalt und den Betrieb der Gedenkstätten ein­schließlich

der notwendigen Personal- und Sachkosten soll die Stiftung ‑ wie

auch die Gedenkstättenstiftungen in den anderen Ländern ‑ einen

jährlichen Zuschuss aus Landesmitteln erhalten. Dieser wird sich an den schon

bisher für die Gedenkstätten­arbeit des Landes aufgewendeten Ausgaben

orientieren, so dass mit der Errichtung der Stiftung keine Mehrausgaben für das

Land verbunden sind.

 

Das

Land wird auch künftig zusätzlich zum jährlichen Zuschuss jene Finanzaufwen­dungen

zu tragen haben, die notwendig sind, um die historischen Orte in ihrer Sub­stanz

zu erhalten und die Bildungsarbeit weiter qualifizieren zu können.

 

Im

Rahmen der zum Gesetzentwurf durchgeführten Anhörung ist der Gesetzentwurf

durchgehend begrüßt worden. Die einzelnen Anmerkungen sind umfassend ausge­wertet

und gegeneinander abgewogen worden. Im Ergebnis hat sich nur die Ände­rung

ergeben, dass der Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheits­dienstes

der ehemaligen DDR des Landes Sachsen-Anhalt als Mitglied in den Stif­tungsrat

aufgenommen werden soll.

 

Anrede,

 

in

den letzten Jahren hat das Schicksal in der Gedenkstätte Lichtenburg in Prettin

dieses Haus mehrfach beschäftigt ‑ sowohl im Plenum als auch im

Innenausschuss. Der Landtag hat die Landesregierung wiederholt aufgefordert,

alles zu unternehmen, diese Einrichtung zu erhalten und in die Trägerschaft des

Landes zu überführen. D ie Verhandlungen mit dem Bund über die kostenlose

Überlassung des Werkstattberei­ches im Schloss Lichtenburg, in dem die künftige

Gedenkstätte eingerichtet werden soll, sind noch nicht abgeschlossen. Nach dem

derzeitigen Stand der Gespräche bin ich aber durchaus optimistisch, dass wir

mit dem Bund zu einer tragfähigen Einigung gelangen. Sobald die Übernahme der

Gedenkstätte Lichtenburg in Landesträger­schaft erfolgt ist, soll auch sie in

die Stiftung überführt werden. Der Gesetzentwurf enthält bereits eine

entsprechende ¿Aufnahmeklausel¿.

 

Anrede,

 

ein

wichtiges Charakteristikum der Stiftung ¿ Gedenkstätten Sachsen-Anhalt¿ wird es sein, dass sie an das

Unrechtsgeschehen mehrerer diktatorischer Regime erinnern soll. Ich weiß, dass

dies keine einfache Aufgabe ist, ich kenne auch die Vorbehalte, die mancher

Orts dagegen bestehen. Ich darf an dieser Stelle aber daran erinnern, dass

bereits heute die Gedenkstätten der Zeit vor und nach 1945 einvernehmlich und

konstruktiv zusammenarbeiten. Wenn man sich die Geschichte des ¿Roten Ochsen¿

ansieht, der zwischen 1933 und 1989 durchgehend Ort von Unrechtshandlungen war,

dann wird deutlich, dass wir keinen Schrägstrich durch die Geschichte ziehen

können.

 

Die

bisherige erfolgreiche Arbeit soll von der Stiftung fortgesetzt werden.

Maßgebend hierfür sind aus meiner Sicht folgende inhaltliche Prämissen:

 

1. Die Auffassung, dass

Menschenrechte unteilbar sind, muss die entscheidende Grundlage für die Arbeit

der Stiftung sein.

 

2. Die Menschenrechtsverletzungen

der Nationalsozialisten waren und sind einmalig in unserer Geschichte. Es ist

aber ebenso richtig und notwendig, die Menschenrechtsverletzungen in der Zeit

nach 1945 darzustellen. Professor Faulenbach , ein renommierter

Zeithistoriker und anerkannter Experte für Ge­denkkultur in Deutschland, formulierte dies bereits vor

einer Reihe von Jahren dahingehend,

 

-

dass die Behandlung der NS-Verbrechen nicht zur

Bagatellisierung der Verbrechen nach 1945 führen darf,

 

-

der Verweis auf die Verbrechen nach 1945 auf der

anderen Seite keine Relativierung der NS-Untaten zur Folge haben darf.

 

 

 

3. Um Entwicklungen, wie sie in

Sachsen aufgetreten sind, vorzubeugen, sieht der Gesetzentwurf die Errichtung

von zwei getrennten Stiftungsbeiräten für die Zeit vor und nach 1945 vor.

 

Ich

bin sehr optimistisch, dass es möglich sein wird, in einer gemeinsamen Stiftung

an die Opfer der Zeiten vor und nach 1945 zu erinnern. Das setzt bei den in der

Stif­tung Verantwortlichen die Fähigkeit nach Differenzierung voraus.

 

Die

Gedenkstätte ¿Roter Ochse¿ Halle (S.) ist ein Beispiel für die Verwobenheit von

Geschichte unter einem Dach. Dort wurden ab 1933 hunderte NS-Gegner einge­sperrt.

Ab 1942 ließ die NS-Justiz dort mehr als 500 Personen hinrichten. Zwischen

Sommer 1945 und 1950 fällten sowjetische Militärtribunale dort nicht nur

Urteile ge­gen NS-Täter, sie schufen auch neues, politisch motiviertes Unrecht.

Schließlich fun­gierte das Haus zwischen 1950 und 1989 als MfS-Untersuchungshaftanstalt.

Diese schwierige Materie haben die Verantwortlichen im Landesverwaltungsamt in

langen und aufwendigen Forschungen untersucht.

 

Am

15. Februar dieses Jahres sollen die Forschungsergebnisse in einer neuen

Dau­erausstellung präsentiert werden. Das Ausstellungskonzept wurde sowohl im

Ge­denkstättenbeirat als auch im vor Ort tätigen Arbeitskreis mit allen

Opferverbänden diskutiert und beraten. Schließlich konnten sich alle Seiten auf

die jetzt umgesetzte Konzeption einigen. Ich darf Sie an dieser Stelle bereits

heute zur Einweihung des Hauses, die Herr Ministerpräsident vornehmen wird,

herzlich einladen.

 

Anrede,

 

der

Auftrag, den die Landesregierung der ¿Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt¿

mit auf dem Weg gibt, heißt Erinnerung und Gedenken um unserer gemeinsamen

Zukunft willen. Die in der Stiftung vereinten Gedenkstätten sollen und müssen

ihren Beitrag dazu leisten, dass sich derartige Verbrechen nicht wiederholen

können.

 

Es

muss eine Gemeinsamkeit aller Demokraten ‑ auch dieses Hauses ‑

sein, dass wir den Weg des Erinnerns und Gedenkens trotz aller politischer

Meinungsverschie­denheiten gemeinsam gehen.

 

Ich

bitte Sie deshalb herzlich, dem Gesetzentwurf zuzustimmen und die Stiftung bei

ihrer Arbeit zu unterstützen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum:

 

Verantwortlich: Dr. Matthias Schuppe

Pressestelle

Halberstädter Straße 2 / Am Platz des 17. Juni

39112  Magdeburg

Tel: (0391) 567-5516/5517

Fax: (0391) 567-5519

Mail: Pressestelle@mi.lsa-net.de

 

 

 

 

 

 

 

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