Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009
vorgestellt ? Hövelmann: ?Gegner der Demokratie sind unverändert aktiv?
02.06.2010, Magdeburg – 64
- Ministerium für Inneres und Sport
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 64/10
Ministerium des Innern -
Pressemitteilung Nr.: 64/10
Magdeburg, den 2. Juni 2010
Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009
vorgestellt ¿ Hövelmann: ¿Gegner der Demokratie sind unverändert aktiv¿
Die Landesregierung hat in ihrer Sitzung am gestrigen Dienstag, dem 1. Juni
2010, den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009 beschlossen. Bei der
Vorstellung des Berichts vor der Presse erklärte Innenminister Holger Hövelmann
(SPD) heute in Magdeburg:
¿Wer den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009 zur Hand nimmt, wird
schnell erkennen: Gegner der Demokratie gibt es auf vielen Seiten, und sie sind
auch in Sachsen-Anhalt unverändert aktiv.
Die größte Bedrohung geht dabei unverändert von Rechtsextremisten aus. Der
Verfassungsschutz rechnet diesem Spektrum etwa 1.380 Personen zu. Allerdings
gab es Verschiebungen innerhalb des rechtsextremistischen Gefüges.
Bei allen internen Auseinandersetzungen und Widersprüchen unternimmt
insbesondere die NPD ernsthafte strategische Anstrengungen zur Verankerung in
der ,Mitte der Gesellschaft`.
Der Versuch, Akzeptanz in bürgerlichen Kreisen zu gewinnen, geht dabei mit
einer inhaltlichen Radikalisierung, einer klaren ideologischen Ausrichtung am
Nationalsozialismus Hand in Hand.
Dem Landesverband Sachsen-Anhalt der
NPD gehören etwa 230 Personen an. Im Berichtszeitraum konnte die NPD ihre
Parteistruktur weder ausbauen noch festigen. Neben aktiven Kreisverbänden wie
Magdeburg oder Halle existieren völlig inaktive Kreisverbände wie der
Kreisverband Börde oder der Kreisverband Anhalt-Bitterfeld.
Der Landesverband Sachsen-Anhalt der ,Deutschen Volksunion` ( DVU ) ist ¿ abgesehen von vereinzelten
Parteizusammenkünften ¿ nicht in Erscheinung getreten. Der DVU werden in
Sachsen-Anhalt etwa 30 aktive Mitglieder zugerechnet.
Nahezu unverändert ist die Anzahl der Neonazis
in Sachsen-Anhalt. Zu diesem Spektrum werden rund 230 Personen gezählt, die
sich mehrheitlich in losen, kameradschaftsähnlichen Strukturen zusammenfinden
und denen ein vom historischen Nationalsozialismus geprägtes Weltbild eigen
ist. Der neonazistischen Szene sind auch die Anhänger der NPD-Jugendorganisation
JN zuzurechnen. Als eine neue Spielart im Bereich des Neonazismus beginnen sich
auch in Sachsen-Anhalt die so genannten Autonomen Nationalisten herauszubilden.
Neben den ideologisch ausgewiesenen Neonazis gibt es die Szene der subkulturell geprägten Rechtsextremisten ,
die kaum über einen gefestigten ideologischen Überbau verfügen. Mit rund
850 Personen (gegenüber etwa 800 Personen im Vorjahr) bilden sie den größten
Anteil an den Rechtsextremisten in Sachsen-Anhalt. Rechtsextremistische Ideologieelemente wie Fremdenfeindlichkeit,
Rassismus oder Antisemitismus prägen das Sozialverhalten dieser Rechtsextremisten,
die durch eine hohe Affinität zu Straf- und Gewalttaten auffallen und als
prinzipiell gewaltbereit gelten.
Polizei und Verfassungsschutz beobachten seit einiger Zeit eine
gestiegene Affinität von Rechtsextremisten zur Hooligan- und Rockerszene ,
die sich insbesondere durch Übereinstimmungen in den Verhaltensmustern der
Szenen ergeben haben dürfte. Beiden Szenen ist ein ausgeprägtes Freund-Feind-Denken,
ein Stärke vermittelndes ,Wir`-Gefühl
mit der Neigung zu gruppenorientierter Freizeitgestaltung und ein provokatives
Verhalten bei übersteigerter Betonung der Männlichkeit eigen. Daraus resultiert
eine Verlagerung von Freizeitaktivitäten, insbesondere aber das Ausleben von Gewalttaten,
auch in das Fußballumfeld.
Der heute vorgestellte Bericht behandelt ausschließlich das Jahr 2009. Was
seither geschehen ist, kann uns nicht beruhigen. Ich erinnere an den erneuten
Kauf von Schloss
Trebnitz bei Könnern durch prominente Neonazis, von denen wir noch
nicht wissen, in welcher Form sie das Objekt für Aktivitäten der Szene nutzen
wollen. Und ganz aktuell führt uns die Schändung des jüdischen Friedhofs in Staßfurt
vor Augen, wes Geistes Kind die Täter sind. Solche Taten erfüllen uns mit
Abscheu.
In den kommenden Monaten wird die NPD alles daran setzen, 2011 auch in
Sachsen-Anhalt den Einzug in den Landtag zu schaffen. Wir sind optimistisch,
dass die Chancen bei uns gut stehen, einen solchen Wahlerfolg zu verhindern.
Das wird davon abhängen, wie groß die Bereitschaft gerade junger Menschen sein
wird, sich bei der Wahl für die Demokratie zu engagieren.
Rechtsextremistisch motivierte Gewalt stellt für die Gesellschaft ein
besonderes Problem dar, weil sie gegen Menschen gerichtet ist, weil sie
Ausländer sind, eine andere Religion haben oder einfach weil sie anders sind.
Aber: Gewalt,
egal ob von links oder von rechts, ist immer zu verurteilen. Die
Konzentration auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus darf und kann keine
Legitimation für linksextremistische Gegenbewegungen bedeuten.
Hauptaktionsfeld autonomer linksextremistischer Zusammenschlüsse blieb im
Berichtszeitraum die Auseinandersetzung mit Neonazis, die für Autonome nach wie
vor auch körperliche Auseinandersetzungen einschließt. Zu gewaltsamen
Zusammenstößen kommt es folglich insbesondere bei Protestaktionen gegen
Aufmärsche von Rechtsextremisten. Allerdings war die Anzahl solcher
Zusammenstöße im Berichtszeitraum rückläufig.
Die Zahl autonomer Aktivisten nahm von 270 auf 240 leicht ab. Schwerpunktregion
ist nach wie vor die Stadt Magdeburg. Nennenswerte Aktivitäten der
Autonomenszene gingen ferner von der ,Antifaschistischen Aktion Burg` aus.
Bundesweit kam es im Berichtszeitraum zu einer Vielzahl von ,antimilitaristischen
Aktionen` und Anschlägen
gegen die Bundeswehr sowie gegen Firmen, die logistische Aufgaben
für die Bundeswehr wahrnehmen. Auch in Sachsen-Anhalt gab es derartige
Aktivitäten. Am 26. Februar 2009 verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag
auf dem Firmengelände der Firma Bosch Service in Burg (Landkreis Jerichower
Land). Dabei entstand an drei dort abgestellten Bundeswehrfahrzeugen ein
Gesamtschaden von etwa 80.000 Euro und an einer Firmenhalle ein Schaden von
etwa 20.000 Euro. Am 11. März 2009 stellte die Polizei auf einem Dienstboot des
Wasserschutzpolizei-Revierkommissariats Dessau-Roßlau zwei Brandsätze fest,
deren Entzündung fehlgeschlagen war. Es entstand leichter Sachschaden. Und in
der Nacht zum 1. Dezember 2009 wurden in Magdeburg durch bislang unbekannte
Täter fünf Packstationen der DHL sabotiert, indem die jeweiligen
Bedienterminals der Stationen zerstört wurden. Dabei wurde unter anderem die
Sprühschrift ,Deutsche Heeres Logistik
sabotieren` angebracht. In allen genannten
Fällen besteht der Verdacht eines linksextremistischen Hintergrundes.
Von den in Sachsen-Anhalt tätigen linksextremistischen Parteien ist lediglich
die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD ) in einem
Kommunalparlament vertreten, nämlich im Stadtrat von Bitterfeld-Wolfen.
Dass der islamistische
Terrorismus sehr wohl auch für Deutschland eine ganz erhebliche
Gefahr darstellt, hat der Fall der ,Sauerland-Gruppe` eindrucksvoll gezeigt. In Sachsen-Anhalt sind jedoch derzeit
keine festgefügten Strukturen islamistischer oder gar terroristischer
Organisationen bekannt.
Im Mittelpunkt der Aufgaben des Verfassungsschutzes bei der Bekämpfung des
internationalen islamistischen Terrorismus steht vor allem das Erkennen und
Beobachten von Netzwerken und Strukturen, um den von ihnen ausgehenden Gefahren
rechtzeitig begegnen zu können.
In Sachsen-Anhalt ist nach wie vor der ,Volkskongress Kurdistans ` die einzige nichtislamistische
Ausländerorganisation, von der sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen
ausgehen.
Auch im Jahr 2009 setzten sich die Aufklärungsaktivitäten der Nachrichtendienste
fremder Staaten in der Bundesrepublik Deutschland in unvermindertem Umfang
fort. Dies gilt nach wie vor insbesondere für die Nachrichtendienste der Volksrepublik
China und der Russischen Föderation.
Der Verfassungsschutzbericht ist ein wichtiger Beitrag zur politischen
Aufklärung über Bedrohungen für die Demokratie. Er soll ein Ansporn für die
gesamte Gesellschaft sein, nicht nachzulassen in der Auseinandersetzung
insbesondere mit rechtsextremistischen Gruppierungen und in der Stärkung des
demokratischen Bewusstseins.¿
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