Politisch motivierte Kriminalität 2024
Rechtsmotivierte Straftaten nehmen massiv zu
09.04.2025, Magdeburg – 045/2025
- Ministerium für Inneres und Sport
Die Landespolizei Sachsen-Anhalt hat im vergangenen Jahr deutlich mehr politisch motivierte Straftaten im Vergleich zum Vorjahr registriert. Die politisch motivierten Gewaltstraftaten sind hingegen erneut leicht zurückgegangen. Das geht aus der Bilanz der politisch motivierten Kriminalität (PMK) hervor, die Innenministerin Dr. Tamara Zieschang und Ministerialrat Mike Schnorrer am Mittwoch in Magdeburg vorgestellt haben.
Insgesamt wurden im Jahr 2024 in Sachsen-Anhalt 4.008 politisch motivierte Straftaten verzeichnet. Das waren 32,8 Prozent beziehungsweise 989 Straftaten mehr als im Jahr 2023 (3.019). Damit markiert das Jahr 2024 den höchsten Stand seit Beginn der Auswertung der politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2001.
Innenministerin Dr. Tamara Zieschang: „Der kontinuierliche Anstieg politisch motivierter Straftaten ist besorgniserregend. Nach wie vor sind dabei rechtsmotivierte Delikte unsere mit Abstand größte Herausforderung. Diese Entwicklung und vor allem der Zuwachs an jugendlichen und heranwachsenden Tatverdächtigen nehmen wir sehr ernst. Deshalb werden die Sicherheitsbehörden, vor allem die Landespolizei, weiterhin einen klaren Schwerpunkt auf die Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität setzen.“
Rechtsmotivierte Straftaten bilden mit Abstand weiterhin den größten Anteil bei der politisch motivierten Kriminalität. Fast 73 Prozent der politisch motivierten Straftaten wurden im vergangenen Jahr dem Phänomenbereich PMK-rechts zugeordnet. Insgesamt wurden 2.920 Straftaten erfasst, das waren 884 mehr als im Vorjahr (plus 43,4 Prozent). Insbesondere klassisch rechtsmotivierte Straftaten wie Propagandadelikte sind ursächlich für den Anstieg bei den Gesamtfallzahlen. Sie machen mit mehr als drei Viertel den Großteil rechtsmotivierter Straftaten aus. Dazu zählen mit 2.223 Straftaten (2023: 1.318; plus 68,8 Prozent) das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Form von öffentlichen Farbschmierereien verbotener Kennzeichen oder das Skandieren öffentlichkeitswirksamer Parolen (plus 905 Straftaten bzw. plus 68,8 Prozent).
Im Jahr 2024 gab es insgesamt 1.500 Tatverdächtige im Bereich PMK-rechts. Alarmierend ist insbesondere die steigende Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen und Heranwachsenden. Die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen hat sich vom Jahr 2023 zum Jahr 2024 von 179 auf 398 mehr als verdoppelt. Damit sind mehr als ein Viertel (26,5 Prozent) aller Tatverdächtigen Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren. Auch die Zahl der tatverdächtigen Heranwachsenden hat sich um 66,7 Prozent erhöht (2024: 150, 2023: 90).
Die Gesamtaufklärungsquote hat sich im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent auf 41,9 Prozent verringert. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass von den erfassten 639 Sachbeschädigungen beispielsweise an Wahlplakaten nur 5,6 Prozent der Straftaten aufklärt werden konnten. Diese sind aufgrund der Tatumstände grundsätzlich nur schwer aufzuklären. Die Aufklärungsquote bei Straftaten der politisch motivierten Gewaltkriminalität lag hingegen bei 71,5 Prozent; bei rechtsmotivierten Gewaltstraftaten lag sie sogar bei 75,5 Prozent.
„Die Aufklärungsquoten insbesondere bei den Straftaten der politisch motivierten Gewaltkriminalität, bei Volksverhetzungen und bei Beleidigungen sind mit mehr als 70 Prozent überdurchschnittlich hoch. Sobald die Täter vor Ort agieren und sich nicht anonym im Internet verstecken können, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, ihrer habhaft zu werden. Auch hier zeigt sich das Engagement und die Professionalität der Polizistinnen und Polizisten unseres Landes, die bei politisch motivierten Straftaten genau hinschauen und diese konsequent verfolgen.“, so Innenministerin Dr. Tamara Zieschang.
Entwicklung weiterer Deliktsbereiche:
Im Phänomenbereich der PMK-links ist im Vergleich zum Jahr 2023 ein deutlicher Rückgang der erfassten Straftaten zu verzeichnen. Insgesamt wurden 280 Fälle registriert. Das waren 78 beziehungsweise 21,8 Prozent weniger Straftaten als im Jahr 2023. Allerdings hat sich die Anzahl der links motivierten Gewaltstraftaten von 13 Fällen im Jahr 2023 auf 26 Fälle im Jahr 2024 verdoppelt. Die Körperverletzungsdelikte als Teil der politisch motivierten Gewaltkriminalität sind auf 16 Fälle gestiegen (2023: acht Fälle). Bei den Sachbeschädigungsdelikten ist ein deutlicher Rückgang um 41,2 Prozent auf insgesamt 163 Fälle (2023: 277 Fälle) feststellbar. Straftaten aus dem Phänomenbereich PMK-links hatten im Jahr 2024 einen Anteil von sieben Prozent (2023: 11,9 Prozent) an der politisch motivierten Kriminalität.
Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 151 politisch motivierte Gewaltdelikte registriert. Das waren sieben Fälle beziehungsweise 4,4 Prozent weniger als im Jahr 2023. 71,5 Prozent beziehungsweise 108 politisch motivierte Gewaltstraftaten konnten im vergangenen Jahr 2024 (2023: 78,5 Prozent) aufgeklärt werden. Bei den Gewaltdelikten handelt es sich zumeist um Körperverletzungen (125 Fälle) und Widerstandsdelikte (12 Fälle). 106 der insgesamt 151 politisch motivierten Gewaltdelikte entfielen auf den Bereich PMK-rechts (2023: 123).
Die fremdenfeindlichen Straftaten bewegten sich auf dem Niveau des Vorjahres. Mit insgesamt 699 Fällen wurden zwei Fälle weniger als im Jahr 2023 registriert. Volksverhetzungen (250 Fälle), Beleidigungen (161 Fälle) und Körperverletzungen (86 Fälle) bilden den Hauptanteil der als fremdenfeindlich erfassten Straftaten. Im Internet wurden davon 92 fremdenfeindliche Straftaten begangen (2023: 148).
In Sachsen-Anhalt sind im vergangenen Jahr 116 antisemitische Straftaten erfasst worden und damit 10,8 Prozent beziehungsweise 14 Fälle weniger als im Vorjahr (2023: 130 Straftaten). Dabei handelte es sich überwiegend um Volksverhetzungen (61 Fälle), Propagandadelikte (27 Fälle), Beleidigungen (neun Fälle) sowie Sachbeschädigungen (sieben Fälle). Mit insgesamt 27 Straftaten wurden 23,3 Prozent dieser Straftaten im Internet begangen (2023: 51 Straftaten im Internet, Anteil: 39,2 Prozent). Des Weiteren wurden im vergangenen Jahr drei antisemitischmotivierte Gewaltstraftaten registriert. Antisemitische Straftaten werden oft von NS-Propaganda (z. B. Hakenkreuzdarstellungen bzw. Holocaustleugnung) oder ausländerfeindlichen/rassistischen Äußerungen begleitet. 97 der insgesamt 116 Fälle mit antisemitischer Tatmotivation sind dem Bereich der rechtsmotivierten Straftaten zuzuordnen.
Innenministerin Dr. Tamara Zieschang: „In den vergangenen Jahren wurden wichtige Fortschritte in der Bekämpfung des Antisemitismus erzielt. Der Dialog und die enge Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen wie RIAS sowie dem Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus sind für die Landespolizei dabei von besonderer Bedeutung. Nur durch gemeinsames Handeln können antisemitische Straftaten wirkungsvoll bekämpft werden. Denn auch hier gilt: Jede Straftat ist eine zu viel.“
Sonstige Entwicklungen:
Das Tatmittel Internet gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nachdem die Zahl der politisch motivierten Straftaten von 2022 auf 2023 bereits um mehr als 60 Prozent gestiegen sind (2022: 382, 2023: 618), wurde in 2024 ein weiterer Anstieg um 19,9 Prozent auf 741 Fälle registriert.
Straftaten, die im Internet begangen wurden, bilden 18,4 Prozent des gesamten Straftatenaufkommens ab. Bei der deliktischen Betrachtung überwiegen Propagandadelikte mit 533 erfassten Fällen gefolgt von Beleidigungen (79 Fälle) und Volksverhetzungen (78 Fälle). Auch bei den Straftaten im Internet liegt der Schwerpunkt mit 78,7 Prozent im Bereich der rechtsmotivierten Straftaten (2023: 59,7 Prozent).
Insgesamt 120 Straftaten richteten sich im Jahr 2024 gegen Amts- und Mandatsträger (2023: 190, minus 36,8 Prozent). Hierbei kam es vorrangig zu Beleidigungen (74 Fälle) und Bedrohungen (11 Fälle). Mit 71 Straftaten wurden 60 Prozent (2023: 70,9 Prozent) der Straftaten im Internet begangen.
Politisch motivierte Straftaten gegen Parteibüros/Parteieinrichtungen werden nahezu ausschließlich in Form von Sachbeschädigungen begangen. Die Begehungsweisen reichen hierbei vom Einwerfen von Fensterscheiben, Farbschmierereien an Fassaden und Schaufensterscheiben bis hin zum Zerstören von Hauseingangstüren. Insgesamt wurden im Jahr 2024 18 Straftaten registriert (2023: 17 Straftaten), davon waren 13 Fälle Sachbeschädigungen.
Im Jahr 2024 wurden 251 politisch motivierte Straftaten an Schulen erfasst. Die Fallzahlen liegen 102,4 Prozent über denen des Vorjahres 2023 mit 124 Fällen. Mit 185 Straftaten wurden die überwiegende Anzahl im Phänomenbereich PMK-rechts erfasst. Bei fast 80 Prozent der Verstöße handelte es sich um Propagandastraftaten. Andere Delikte wie Volksverhetzungen und Sachbeschädigungen waren eher die Ausnahme. Insgesamt wurden vier Gewaltstraftaten bekannt.
Im Jahr 2024 wurden in Sachsen-Anhalt insgesamt 169 politisch motivierte Straftaten gegen Asylbewerber/Flüchtlinge erfasst. Das ist ein Rückgang um rund 25 Prozent (2023: 225 Fälle). Die meisten Geschädigten stammen aus den Herkunftsländern Syrien (73), Afghanistan (18), dem Iran (acht) und der Ukraine (sieben). Deliktisch überwiegen Beleidigungs- und Volksverhetzungsdelikte (86 Straftaten); in 44 Fällen wurden Gewaltstraftaten verübt (ausnahmslos Körperverletzungen).
Der Terroranschlag der Hamas gegen den Staat Israel am 7. Oktober 2023 hatte maßgebliche Auswirkungen auf die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland. Neben zahlreichen Veranstaltungen, welche sowohl pro-israelischen als auch pro-palästinensischen Charakter tragen, ist auch ein deutlicher Zuwachs an politisch motivierten Straftaten mit erkennbarem Bezug zum Nahostkonflikt festzustellen. Im Jahr 2024 wurden insgesamt 74 Straftaten (2023: 62) in der Statistik zur PMK erfasst, die im Bereich der Themenfelder „Krisenherde/Bürgerkriege – Israel/Palästina“ registriert wurden. Waren im Jahr 2023 noch mehrheitlich Farbschmierereien bzw. Plakatierungen und Aufkleber (z. B. „Free Palästina“ oder „Fuck Israel“) die üblichen Begehungsweisen, dominierte im vergangenen Jahr die Äußerung „From the river to the sea“. Diese wird sowohl in den sozialen Netzwerken als auch verbal geäußert. Der überwiegende Teil der Straftaten trägt pro-palästinensischen Charakter.
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