Auf Sachsen-Anhalts Straßen sind so wenige Menschen bei Verkehrsunfällen tödlich verunglückt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das geht aus der vorläufigen Verkehrsunfallbilanz für das Jahr 2021 hervor, die Innenministerin Dr. Tamara Zieschang Dienstag in Magdeburg vorstellte:
„Trotz eines leichten Anstiegs bei den Verkehrsunfällen haben wir sowohl bei den Verkehrstoten als auch bei den Verletzten den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnung im Jahr 1990. Das bewerte ich als Erfolg. Doch jeder Verkehrstote ist einer zu viel. Ziel muss es daher bleiben, die Zahl noch weiter zu senken.“
Allgemeines:
Rechnerisch passiert alle acht Minuten ein Unfall auf Sachsen-Anhalts Straßen. In absoluten Zahlen wurden 66.841 Verkehrsunfälle registriert, das waren 1.236 Unfälle beziehungsweise zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig ging die Zahl der Unfälle, bei denen Menschen verletzt wurden, das siebte Jahr in Folge zurück. Insgesamt waren es 6.764 und damit vier Prozent weniger als im Vorjahr. Insgesamt verunglückten 8.727 Menschen, das waren 284 weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Schwerverletzten sank binnen eines Jahres um fünf Prozent, jene der Leichtverletzten um zwei Prozent.
113 Menschen kamen bei Verkehrsunfällen in Sachsen-Anhalt ums Leben. Das waren zehn weniger als 2020 – ein Rückgang um acht Prozent. 40 Menschen starben bei Unfällen, bei denen sie selbst am Steuer eines Autos saßen sowie 14 als Auto-Insassen. Zudem kamen 15 Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer, ein Sozius, fünf Fahrerinnen und Fahrer von Kleinkrafträdern sowie zwölf LKW-Fahrer und ein LKW-Beifahrer bei Verkehrsunfällen ums Leben. Auch zehn Radfahrerinnen und Radfahrer, fünf Pedelec-Fahrerinnen und Pedelec-Fahrer, neun Fußgängerinnen und Fußgänger sowie ein Fahrer einer landwirtschaftlichen Zugmaschine verunglückten tödlich im Straßenverkehr.
„Auch im Jahr 2022 werden wir weiterhin mit verschiedenen Maßnahmen daran arbeiten, die Verkehrssicherheit im Land weiter zu erhöhen. Dabei geht es nicht darum, möglichst viele Verwarnungen auszusprechen oder Bußgelder zu erheben, sondern gefährliche Situationen und Verhaltensweisen weiter zurückzudrängen“, so die Innenministerin weiter.
Hauptunfallursachen:
Wildunfälle führten auch im vergangenen Jahr die Liste der Hauptunfallursachen an. Zwar ging die Zahl der Zusammenstöße und Vorfälle mit Wildbeteiligung um 417 beziehungsweise drei Prozent auf 13.920 zurück. Damit passierten sie aber erneut häufiger als Unfälle durch Fehler beim Wenden, Rangieren und Rückwärtsfahren (7.621 Fälle) sowie durch zu geringen Abstand (6.087 Fälle).
Während es bei Wildunfällen größtenteils bei Sachschäden blieb, hatte überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit häufig schwerwiegende Folgen: Bei jedem dritten Unfall mit tödlichem Ausgang spielte unangepasste Geschwindigkeit eine Rolle.
Innenministerin Dr. Tamara Zieschang: „Der hohe Anteil von Unfällen mit tödlichem Ausgang infolge zu schnellen Fahrens zeigt: Wer rast, gefährdet sich und andere. Hier müssen wir gegensteuern.“ Sachsen-Anhalt beabsichtigt daher, künftig auch auf sogenannte Abschnittskontrollen (auch bekannt als Section Control) zu setzen. „Uns ist es so möglich, nicht nur an einem Messpunkt, sondern auf einer festgelegten Wegstrecke die Durchschnittsgeschwindigkeit passierender Fahrzeuge zu überwachen. Damit beschreiten wir einen neuen und innovativen Weg der Verkehrsüberwachung“, sagt die Ministerin. Voraussetzung ist, zunächst eine eigenständige Rechtsgrundlage im Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) zu schaffen. Das Kabinett hat heute eine entsprechende Novellierung des SOG beschlossen und zur Anhörung freigegeben.
Erfreulich ist der Rückgang alkoholbedingter Verkehrsunfälle um ein Prozent auf den niedrigsten Wert seit 2007. Bei insgesamt 955 Unfällen war Alkohol am Steuer im Spiel, dabei wurden 473 Menschen verletzt und zwei getötet. Auch bei Unfällen mit Beteiligten unter Drogeneinfluss gab es erstmals seit drei Jahren wieder einen Rückgang, und zwar um sieben Prozent auf 195 Verkehrsunfälle. Dabei wurden zwei Menschen getötet. 104 Menschen wurden verletzt, das waren 40 weniger als noch 2020.
Ausgewählte Verkehrsbeteiligung:
Die Zahl der verunglückten und tödlich verletzten Radfahrerinnen und Radfahrer auf Sachsen-Anhalts Straßen hat den niedrigsten Stand seit 2007 erreicht. Bei 2.370 Unfällen waren Fahrräder beteiligt, das waren 333 weniger als im Vorjahr. Die Zahl der tödlich Verunglückten sank um 23 Prozent. Bei der Hälfte der Unfälle waren die Radfahrerinnen und Radfahrer die Verursacher. Fußgängerinnen und Fußgänger waren ebenfalls seltener in Unfälle verwickelt. Konkret ging die Zahl der Unfälle hier um ein Prozent auf 849 zurück.
Innenministerin Dr. Tamara Zieschang betont: „Dieser Rückgang ist erfreulich. Menschen zu Fuß und auf dem Fahrrad verfügen nicht über die Schutzeinrichtungen, die moderne Autos mitbringen. Um schwere Zusammenstöße mit Radfahrerinnen und Radfahrern gerade innerhalb von Ortschaften zu verhindern, ist der Abbiegeassistent bei Lkw eine lebensrettende technische Ausstattung.“ Ein weiterer Baustein sei der verschärfte Bußgeldkatalog, der ahndet, wenn Lastkraftwagen innerorts nicht mit Schrittgeschwindigkeit abbiegen. Auch bauliche Verbesserungen von Kreuzungsbereichen und Verkehrsführungen können helfen, Menschen, die zu Fuß und auf dem Fahrrad unterwegs sind, für andere sichtbarer zu machen.
Pedelecs, also Fahrräder mit elektrischer Tretunterstützung, sind hingegen häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt. Es wurden 222 Fälle registriert, das entspricht einem Anstieg von 33 Prozent. Ihr Anteil an allen Fahrradunfällen liegt bei neun Prozent. Dabei stieg auch die Zahl der Verletzten um gut ein Drittel auf 185. Fünf Pedelec-Fahrerinnen und -Fahrer starben, vier von ihnen waren älter als 65 Jahre.
Vor allem in Städten gehören Elektrokleinstfahrzeuge (Elektroroller) zunehmend zum Straßenbild. Das bleibt nicht ohne Folgen: Nutzerinnen und Nutzer dieser Elektroroller waren im vorigen Jahr an 74 Verkehrsunfällen beteiligt. Das waren 45 mehr als noch 2020. Bei zwei von drei dieser Unfälle wurden Menschen verletzt, insgesamt waren es 49 Menschen.
Die Zahl der Lkw-Unfälle ist nach einem Rückgang im Jahr 2020 zuletzt wieder auf das Niveau der Vor-Corona-Jahre gestiegen. Insgesamt wurden 10.043 Fälle registriert, und damit 1.421 mehr als noch 2020. Dabei verunglückten 382 Lkw-Fahrer oder Lkw-Insassen, das waren 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Insgesamt starben in Sachsen-Anhalt 35 Menschen nach Unfällen mit Lkw-Beteiligung. 13 von ihnen saßen selbst in einem Lastkraftwagen. Auffällig ist: Bei mehr als drei Viertel aller Unfälle mit Lkw-Beteiligung waren die Fahrerinnen und Fahrer der Güterkraftfahrzeuge auch die Verursacher.
„Die Kontrolle des Güterverkehrs wird auch im Jahr 2022 einen Schwerpunkt unserer Kontrolltätigkeit einnehmen. Hier haben wir die technischen Möglichkeiten der Polizei mit der Anschaffung von sogenannten Sensorik-Koffern weiter verbessert.“ Die Kolleginnen und Kollegen können damit im Vorbeifahren Daten des Fahrtenschreibers auslesen, um so beispielsweise Anhaltspunkte für eine mögliche Manipulation, etwa der Lenk- und Ruhezeiten, zu erhalten. Das kann bei anschließenden Kontrollen überprüft werden. „Übermüdung am Steuer ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr“, so die Innenministerin.
Ausgewählte Altersgruppen:
Verkehrsunfälle mit Kindern sind um 35 Fälle gesunken und bleiben damit weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Landesweit verunglückten 649 Kinder. Das entspricht einem Rückgang von einem Prozent sowie einem neuen Tiefstand.
Die Zahl der Verkehrsunfälle, an denen Jugendliche beteiligt waren, ging um zwölf Prozent auf 610 zurück. Bei Unfällen mit beteiligten jungen Erwachsenen war im Jahr 2020 ein Tiefstand (9.046 Unfälle) erreicht worden. Voriges Jahr stieg ihre Zahl auf 9.718 und erreichte damit wieder das Niveau der Vor-Corona-Jahre (2019: 9.874).
Menschen über 65 Jahre waren im vergangenen Jahr an 14.215 Verkehrsunfällen beteiligt und damit in etwa an so vielen wie im Vorjahr (14.205). Vor Beginn der Corona-Pandemie waren jährlich mehr Verkehrsunfälle mit beteiligten Seniorinnen und Senioren registriert worden. Im Jahr 2019 waren es knapp 16.500.
Opferschutz:
Der Landespolizei ist es wichtig, den Opferschutz und die Opferhilfe nach Verkehrsunfällen weiter zu verbessern. Vor diesem Hintergrund wurde am heutigen Tag eine Kooperationsvereinbarung mit der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V. (VOD) geschlossen. Die Zusammenarbeit soll sowohl die Hilfe für Geschädigte und den Opferschutz fördern als auch Aktivitäten und Projekte zur Verkehrsunfallprävention unterstützen. Der Austausch der Akteurinnen und Akteure soll sowohl auf kommunaler als auch auf Landes-Ebene verstärkt werden.
Die Präsentation zur vorläufigen polizeilichen Verkehrsunfallstatistik finden Sie hier.